Zeitlos witzig

Gardi Hutter gastiert im Rahmen der Lachmesse mit ihrem neuen Stück „Die Schneiderin“ in der Schaubühne Lindenfels

Jede Bewegung scheint pointiert: Gardi Hutter (Foto: Stephan Bundi)

Es ist Lachmesse in Leipzig, und gelacht werden darf tatsächlich viel. Mit über 160 KünstlerInnen aus aller Welt ist das Kabarett- und Kleinkunstfestival international das größte seiner Art und bietet von Satire über Comedy bis hin zur Clownerie so einiges. Auch die Schweizerin Gardi Hutter ist in diesem Jahr wieder mit dabei. An zwei Abenden bringt sie das Publikum in der ausverkauften Schaubühne Lindenfels mit ihrem Komischen Visuellen Theater zum Lachen und Nachdenken. Ihre Kunst ist die Clownerie und Hutter zählt zu den berühmtesten Clowninnen überhaupt. Mit ihrem Stück Die Schneiderin (Regie: Michael Vogel) tourt Hutter momentan durch Deutschland, Italien und die Schweiz und begeistert ihr Publikum allerorts. Doch wer bei Clownerie nur an wasserspritzende Blumen und tölpelhafte Zirkusgestalten denkt, liegt bei Gardi Hutter falsch. Geschickt verbindet sie urkomische Szenen mit einem ernsten Hintergrund – denn um die Vergänglichkeit soll es dabei gehen, um die Endlichkeit des Seins.

Schon das Bühnenbild versetzt einen direkt hinein in eine alte Schneiderei: Über einem großen, massiven Schneidertisch schwingt ein abenteuerliches Gestell, welches die Kleiderpuppen hält. Halb fertiggenähte Kleider und ein großer Verzerrspiegel finden da neben staubigen Stoffballen und einem Nähkasten ihren Platz. Inmitten dieser Szenerie sitzt dick und zerzaust die Schneiderin, deren erste Hürde es ist, einen Faden in die übergroße Nadel einzufädeln. Kaum versieht sie sich, steckt die spitze Nadel auch schon in der Clownsnase. Die Schneiderarbeit ist eben kein leichtes Unterfangen, das zeigt sich schnell. Doch schafft es die Schneiderin, den Spaß am Leben und an der Arbeit nicht zu verlieren. Alsbald entwickelt der Nähkasten ein romantisches Eigenleben, zwei Garnrollen überstehen alle Hindernisse, um endlich gemeinsam in die traute Schublade zu verschwinden. Da will man sie natürlich auch nicht stören. Stattdessen sollen nun die Kleiderpuppen tanzen, die Schneiderin inszeniert spontan eine Hochzeit zwischen dem Jackett und dem weißen Unterkleid. Aus dieser Bindung entspringt auch alsbald eine kleine Kleiderpuppe, welcher zu einer flotten Musik schnell ein eigenes Kleidchen genäht wird.

Was seicht und mit lockerem Humor beginnt, wird jedoch bald ernst. Die Themen verdichten sich und aus den kleinen Scherzen wird eine Krise. Da sind die Sachen, die fristgerecht fertiggenäht werden müssen, doch der Kalender verliert stätig ein weiteres Blatt. Und dann dieser Unfall: kopfüber stürzt die schusselige Schneiderin in den Wäschekorb. Dass ihr daraufhin eine große Schere im Kopf steckt, bemerkt sie vorerst gar nicht. Doch auch ein Clown hat kein ewiges Leben. Die Schneiderin widersetzt sich dem Unvermeidbaren lange, ist nicht einverstanden damit, dass die tot sein soll. Der Kalender zeigt schon kein Datum mehr an. Stattdessen ist dort nun ein Unendlichkeitszeichen, eine liegende Acht, zu sehen.

Dass Gardi Hutter eine Meisterin ihres Faches ist, beweist sie mit Die Schneiderin allemal. Jeder Handgriff sitzt, jede Bewegung scheint pointiert. Und auch der technische Ablauf ist perfekt, das Zusammenspiel ist auf den Punkt abgestimmt. Und gerade wenn der Spiegel durch Projektionen eine Welt dahinter offenbart, wird deutlich, wie aufwendig schon die Vorproduktion gewesen sein muss. In ihrem Stück schafft Hutter es, eine fantastisch gestaltete Welt zu erschaffen, eine Welt außerhalb der Zeit und Sprache – ganz nach der Manier des Clowns. Und doch ist es eine Welt, die der Zuschauer auf sich übertragen kann. Um nachzudenken über die Endlichkeit, um das Unvermeidliche mit Humor zu nehmen.

Die Schneiderin

Ein Stück von Gardi Hutter und Michael Vogel

Gastspiel

R: Michael Vogel (Familie Flöz)

Mit: Gardi Hutter

16./17.Oktober 2011, Schaubühne Lindenfels


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