Ein tanzverwöhntes Konzert aus Slowenien lockte Theateraffine am Dienstagabend ins Gewandaus. Das choreografierte Konzert mit dem Titel „Srh“ bildete den Auftakt der Euro-Scene
Während der Klavierspieler dem Publikum den Rücken zukehrt, kriecht eine splitternackte Frau unter seinem Schemel hervor, räkelt und streckt sich vor der Menge und verschwindet nach wenigen Minuten so überraschend wie sie kam. Doch nur, um in ein enges, schwarzes Tanzkostüm zu schlüpfen und mit anderen, gleichsam gekleideten Tanzpartnerinnen zu einer lebendigen und wilden Kombo zu verschmelzen. Was sich über die Dauer der Performance nicht entblößt, ist die Bedeutung dieses ästhetischen Kuddelmuddels.
Im Festivalprogramm wird Srh folgendermaßen beschrieben: „Durch gegenseitige Annäherung und Entfernung zeigen Frauen und Männer ihre Verschiedenheit und Harmonie.“ Das inhaltsschwache Zitat ist zumindest ein Wink in die thematische Richtung, in die sich das Ensemble manövriert. Mythologisch aufgeladene Symbole wie der Apfel als Inbegriff der Ursünde verdeutlichen zusätzlich die Intention des Stückes. Die Frauen kreischen, wehren sich gegen die Vitaminbomben, die in großer Zahl über die Bühne kullern. Eine echte, auf Ebenbürtigkeit basierende Polarität wäre jedoch nur mit männlichen Co-Tänzern zustande gekommen.
Stattdessen werden die einzigen Männer auf der Bühne, die Musiker, von ihrer schwarzen Kleidung und dem schummerigen Licht verschluckt. Nur ihr Zusammenspiel von Xylophon, Klavier und Schlagzeug verhindert, dass sie der Wahrnehmung des Zuschauers gänzlich entfliehen. Doch die Gruppe von Srh hat es in Deutschland nicht leicht. Schließlich präsentieren sie ihr Werk in einem Land, in dem ein deutscher Komiker das Thema Mann vs. Frau im Fernsehen und sogar im Olympiastadion mit Nusslochwitzen und der Vorstellung weiblicher Duscharten bereits bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus ausgereizt hat.
Dennoch bleiben sich die Künstler in ihrem Ausdruck des Geschlechterkrieges durch hektische, raubkatzenartige Bewegungen treu. Und nicht nur die wuchtigen Schlagzeugeinlagen machen dem Titel des Stücks Srh – zu Deutsch „Beben“ – alle Ehre. Eine dralle blonde Tänzerin springt im engen Schwarzen über die Bühne, stöhnt angestrengte, prustende Laute aus und schwingt ihre Arme wie bei einer Trockenübung für Aquagymnastik umher. Zwischendurch knallt sie sich mehrfach selbst auf die Bühnenbretter. Zu guter Letzt taumelt ein Mann als vermummtes, bedauernswertes Wesen mit einem erigierten Kunstpenis einem Spiegel entgegen. Und auch wenn der erwähnte Komiker nicht durch diesen Abend führte, war das musikalisch und tänzerisch leidenschaftliche und in seiner Kürze angemessene Konzert mit mundwinkelhochziehenden, absurden Momenten versehen, obgleich es den Zuschauer durch die nebulöse Form etwas irritiert zurück ließ.
Srh
Im Rahmen der Euro-Scene Leipzig 2011
Choreografie: Matjaž Farič
Komposition: Milko Lazar
Gastspiel, Deutschlandpremiere
8. November 2011, Gewandhaus zu Leipzig
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