Ein starkes (Kinder)Stück

Berndt Stübners Inszenierung „Der Fischer und seine Frau“ begeistert den Euro-Scene-Nachwuchs

Melanie Schmidli, Alexander Range und Werner Stiefel ( Fotos: Berndt Stübner, Leipzig)

Das Märchen Der Fischer und seine Frau bleibt seiner Zielgruppe treu und wird als Schauspiel-Musik-Tanz-Gesang-Puppen-und-Mitmach-Stück für Kinder ab 6 Jahren gezeigt. Bereits am 14. Mai 2011 in der Alten Handelsbörse uraufgeführt, wurde es nun im Rahmen der Euro-Scene erneut gezeigt.

Im Konzertfoyer der Oper hat sich ein breites Meer ausgedehnt und die Zuschauer nehmen – sich gegenüber sitzend – rechts und links davon Platz. Es wurden blaue Stühle hervorgeholt und die Bank vorm kleinen Fischerhäuschen reiht sich in die Farbidee ein. Was es so großartig macht zu einem Kinderstück zu gehen, auch wenn man selbst keines mehr ist, sind wiederum die Kinder: Eines mit Plüsch-Einhorn, das andere zieht umgehend die Stiefel aus sobald es Platz gefunden hat und fällt dann später vom Stuhl, weil die Beine nicht auf dem Boden oder eben im Wasser stehen. Man fühlt sich wohl, wenn sich Kinder im Theater oder eben dem Opernhaus wohlfühlen. Letzteres beschimpft Ilsebill (gespielt von Melanie Schmidli), die Frau vom Fischer Bill (gespielt von Alexander Range) übrigens gleich zu Beginn abschätzig als kleine Hütte, in der man nun wohnen müsse. Alle lachen auf Grund der Ironie zum golden schirmenden Raum. Seine Magie entfaltet dieser aber erst, wenn der goldene Butt auftaucht. Er ist der Wunschfisch, der Ilsebill all ihre Träume erfüllt und von Choreograf Werner Stiefel anmutig geführt wird.

Wenn der Fisch auftritt, bleibt das Publikum still. Sanfte Töne umschweben ihn vom Piano aus (gespielt von Tilo Augusten), langsam und souverän stellt er sich vor, folgt widerstandlos den Bitten des Fischers und wenn er im Off verschwinden recken sich die Kinder noch die Hälse um vielleicht doch um die Ecke schauen zu können und diese wundersamen Momente fortdauern zu lassen.

Ist das Meerestier kaum verschwunden, treibt Ilsebill auch schon das Geschehen an. Sie wütet wie ein tolles Kind durch den ganzen Raum, ist zickig, stellt Forderungen und befiehlt. Sie will die Klügste sein, die Schönste, die Reichste und die Beste. Zunehmend beginnt jeder ihrer Sätze mit „Ich will“ und bald darauf ist dies alles was man noch von ihr hört. In ihrer Rolle ist sie tatsächlich kindisch, wie es sonst nur uneinsichtige nervige Gören sind. Es dauert auch nicht lang, dass die Kinder über sie lachen und mit ihr verlachen sie die Gier, den Neid und die Dummheit und es scheint sie haben sich bereits die „Moral von der Geschichte“ einverleibt.

Mit den Kindern zusammen lacht Fischer Bill, aber als Heldenfigur nimmt er es sich zur Aufgabe Ilsebill den Spiegel vorzuhalten. Der Spiegel sind die Kinder und irgendwann versteht auch die eingebildete Fischersfrau die Botschaft. Auch der Fischer bewegt sich auf der Ebene der Kinder: Er tanzt für sie, gibt Ihnen Requisiten aus und steht unten bei ihnen, wenn seine Frau auf der kleinen Bühne als Königin und Kaiserin thront. Nur wirkt er so auch verspielt und eben nicht erwachsen und ob seine Belehrungen von den Kindern angenommen werden bleibt wohl offen. Denn wenn er als hüpfender Pädagoge die Wichtigkeit des Lernens besingt, dann nimmt ihn wohl keiner ernst. Recht hat er trotzdem.

Ein einstündiges Spiel kann für Kinder langweilig – anstrengend werden. Aber Berndt Stübner schrieb hier eines, dass dem einiges entgegensetzt: Pianomusik, auffrischende Tänze, eingehende Lieder, große Puppen und die Kinder sind andauern angehalten selbst eine Rolle zu spielen. So tauchen sie auch konsequent im Begleitheft unter „Darsteller“ als Wasserkinder, Seepferdchen, Angler und Loskinder auf. Die Atmosphäre bleibt locker und aus der gelungenen Improvisation mit dem jungen Publikum gewinnt das Stück zusätzlich an Qualität.

Wenn das wiederum arme Fischerpärchen gegen Ende glücklich beieinander auf der Bank sitz, steht der böse Dämon Neid allein da: Plötzlich taucht er über der kleinen Hütte als große Fratze mit langer Nase auf. Nun will er die Zuschauer persönlich neidisch auf sich selbst machen. Aber hier fällt keiner mehr auf ihn herein. Kurzer Hand wird er vom Fischerpärchen in einen Sack gesteckt und zwischen den Kinderfüssen verkloppt und getreten. Diese Szene überrascht und ist ein wenig verstörend. Das merkt man auch den Kindern an. Trotzdem bleibt dieses konsequente Neidaustreiben spielerisch und wird nicht etwa brutal. Vielleicht macht man sich aber auch zu viele Gedanken über solche Dinge, wenn man eben kein Kind mehr ist. Den Kindern hat es gefallen. Die Mädchen vor mir schreiben keine Rezension darüber sondern entscheiden die Frage, ob das Stück ihnen gefiel mit: „Spitze!“

Der Fischer und seine Frau

nach dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm

Im Rahmen der Euro-Scene Leipzig 2011

R: Berndt Stübner

C: Werner Stiefel

Mit: Melanie Schmidli (Ilsebill), Alexander Range (Bill), Werner Stiefel (Butt und Neid),
Publikum (Wasserkinder, Seepferdchen, Angler, Loskinder)

12. November 2011, Oper Leipzig / Konzertfoyer


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