Aneinanderreihung von Banalitäten

Daniel Kehlmanns „Ruhm“ im Kino: Regisseurin Isabel Kleefeld verknüpft sechs der neun Romanepisoden zu einem nebulösen Ganzen

Justus von Dohnányi (Bilder: NFP)

Zwei Menschen, deren Leben sich ohne eine doppelt vergebene Handynummer wohl niemals überschnitten hätten: der biedere Elektroingenieur Joachim Ebling (Justus von Dohnányi) und der eitle Filmstar Ralf Tanner (Heino Ferch). In der ersten Szene von Ruhm steht ein genervter Ebling im Handyladen und versucht dem Verkäufer klarzumachen, dass er ständig Anrufe von fremden Menschen bekommt. Doch der glaubt nicht an einen Fehler der Telefonfirma und wimmelt den Kunden ab. Und so nimmt Ebling weiter Anrufe entgegen, die nicht ihm, sondern dem Schauspieler Tanner gelten. Bis es zu einer Art Rollentausch kommt: Ebling wird zum gefragten Jemand, Tanner erst ungewollt, dann gewollt zum Niemand.

„Das normale Verhältnis zur Umwelt besteht darin, dass man sich ein bisschen ernster und wichtiger nimmt, als die anderen einen finden. (…) Wenn man berühmt wird, dreht sich das um, und die anderen nehmen einen ernster, als man sich selbst nimmt“, hatte Daniel Kehlmann schon 2008 im Gesprächsband Requiem für einen Hund klug bemerkt. In seinem 2009 veröffentlichten Episodenroman Ruhm erleben die beiden Figuren Ebling und Tanner die Verwandlung vom Nobody zum Star (und umgekehrt) in zwei voneinander getrennten Kurzgeschichten. Um sie herum gruppiert Kehlmann noch weitere Episoden mit Menschen, die gerade eine Umbruchphase durchleben. Isabell Kleefeld hat für ihre gleichnamige Verfilmung des Romans nun sechs dieser insgesamt neun Geschichten ausgewählt und versucht, sie durch Hin- und Herspringen zwischen den Episoden stärker zueinander in Beziehung zu setzen.

Heino Ferch

Da gibt es neben Ebling und Tanner noch den erfolgreichen Schriftsteller Leo Richter, der mit seiner Freundin eine Lesereise durch Südamerika unternimmt. Dann noch Richters erfolglose Autorenkollegin Maria Rubinstein, die er an seiner Stelle auf eine Lesereise durch den ehemaligen Ostblock schickt. Den nerdigen Blogger Mollwitt, glühender Verehrer von Richters Romanfigur Lisa Gaspard. Und die todkranke Rosalie, die sich zum Sterben nach Zürich aufmacht. Die Geschichten dieser Figuren sind zwar vordergründig und durch das ständige Klingeln (beziehungsweise Nicht-Klingeln) des Mobiltelefons miteinander verstrickt. Aber es fehlt eine kraftvolle Metaebene, die aus Kleefelds Film mehr macht als elegant zusammenmontierte Episodenschnipsel.

Ein zweites Problem der Verfilmung liegt in der Klischeehaftigkeit vieler Figuren. Richter zum Beispiel saugt seine Umwelt regelrecht aus, um sich Inspiration für seinen neuen Roman zu holen. Tanner lebt in einer protzigen Villa mit Hausdiener und hat auch bei Tageslicht immer die Sonnenbrille auf. Mollwitt ist ein übergewichtiger, schwitzender Loser. Das alles führt dazu, dass ihre Geschichten zwar ein Schmunzeln auslösen, aber nicht sonderlich berühren.

Rosalie (und vielleicht noch Ebling) wirkt von allen Figuren am echtesten, weil sie nichts Übertriebenes oder Aufgesetztes an sich hat. Senta Berger spielt sie, die sich auf ihr nahendes Ende vorbereitet, würdevoll und zurückgenommen. Paradoxerweise entpuppt sich die Dame, das sei hier verraten, als fiktive Figur aus Richters neuem Roman. Wie Rosalie gegen Ende des Films ihren Schöpfer in einem Züricher Hotelzimmer anfleht, sein Buch nicht mit ihrem Tod enden zu lassen, ist eine der stärksten Szenen des Films. Aber bis dahin erlebt man vor allem eines: eine Aneinanderreihung von Banalitäten.

Ruhm

Deutschland 2011, 103 Minuten

Regie: Isabel Kleefeld; Darsteller: Senta Berger, Heino Ferch, Julia Koschitz, Stefan Kurt, Axel Ranisch, Gabriela Maria Schmeide, Justus von Dohnányi, Matthias Brandt, Thorsten Merten

Kinostart: 22. März 2012


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