Kaizers Orchestra bestreiten im Centraltheater ihr erstes Leipzig-Konzert
Als der Autor im Jahre 2005 auf dem Haldern Open Air das erste Mal in Kontakt mit Kaizers Orchestra kam, war es eine Erleuchtung. Von Freunden angepriesen, wollte man sich das Ganze mal anschauen und wurde überwältigt. 90 Minuten sah man wie gebannt dem exzessiven Treiben auf der Bühne zu, das mit Musikern in Gasmasken, Percussioneinlagen auf Ölfässern und antiken Stehlampen auf Tasteninstrumenten mehr als ungewöhnlich war. Dazu bekam man dank der treibenden „Death-Polka“ die Gliedmaßen nicht mehr unter Kontrolle und verbrachte das Konzert wie alle anderen Anwesenden in euphorischer Hochstimmung.
Nun also – sechseinhalb Jahre und drei Alben später – gastierten die Norweger zum ersten Mal in Leipzig, noch dazu im schönen Centraltheater. Und so fand man sich um 20 Uhr in einem zu zwei Drittel gefüllten Saal wieder, als das Konzert pünktlich startete. Die anfängliche Skepsis über eine Bestuhlung bei dieser Art Musik wurde schnell vom Publikum selbst entkräftet, in dem nach ziemlich genau zehn Sekunden des Openers „Philemon Arthur & the Dung“ die ersten Reihen sich erhoben und nach einer weiteren halben Minute auch der Rest verstanden hatte, dass man das hier alles besser im Stehen – oder besser: im Tanzen – erlebt. Es sollte sich bis zum Ende des Konzerts auch kaum einer der Besucher wieder setzen.
Generell war die Stimmung von Anfang bis Ende überschwänglich, der nicht bestuhlte Freiraum direkt vor der Bühne sowie die einzelnen Sitzreihen schnell von tanzenden Menschen gefüllt. Diese durften dann auch mal alle Bewegungsstile ausprobieren: Von seemannsartigem Schunkeln bei so manchem ruhigen Lied, typisch rumpeligem Groove bis hin zu exzessivem Rock’n’Roll-Gezappel fand alles seinen Platz in der Setlist. Dazu gab es Geschichten in so mancher Liedpause. So wurde ein Song Johnny Cash gewidmet, der exakt achteinhalb Jahre vorher verstarb. Ein anderes Lied fand seine Einleitung in einer Anekdote über eine aus Osteuropa extra bis nach Paris gereiste junge Dame, die das gewünschte Kaizers-Konzert trotzdem verpasste, als Trost von der Band aber selbiges Lied hinterher in einer Akustikfassung gespielt bekam … und vor Glück weinte.
Die Band wirkte gut gelaunt, wenn auch durchaus routiniert. Trotzdem sind auch die Mitglieder selbst immer wieder den Anblick wert. So hat Sänger Janove Ottesen die elegante Frontsau inzwischen perfektioniert und sieht zudem mit jedem Jahr ein Stück attraktiver aus. Bejubelt wurde auch Gitarrist Geir Zahl, als er in der Mitte des Sets zwei Lieder lang den Frontmann machen durfte und dies mit größter Freude und Energie tat. Es folgte ein kurzes Duett der beiden am selben Mikrofon, welches dann abrupt von den stakkatoartigen Ausbrüchen von „Din kjole lukter bensin, mor“ (mit der schönen Übersetzung „Dein Kleid riecht nach Benzin, Mama.“) unterbrochen wurde, welches definitiv einen Höhepunkt des Konzertes markierte.
Der absolute Knaller der Band war natürlich wie immer der Herr an den Tasten, Helge Risa. Von Anfang an mit Gasmaske – und wie der Rest der Band natürlich mit Anzug – bekleidet, war sein Treiben auf dem Drehhocker zwischen E-Piano und Orgel eine Show für sich. Körperhaltung, Seitenblicke sowie natürlich die musikalischen Taten waren mehr als unterhaltsam. Selbstverständlich durfte die obligatorische, an eine Hitler-Parodie erinnernde Megaphon-Hasstirade in Richtung Publikum bei „Svarte Katter & Flosshatter“ nicht fehlen. Ein Stück, das auch dank seinem an Led Zeppelins „Kashmir“ gemahnenden, treibenden Orchestral-Thema ein weiteres Highlight war. Ebenso wie „Fean I Baten“ vom aktuellen zweiten Teil der „Violeta Violeta“-Triologie, das zwei Minuten alle Anwesenden mit abgebrühtem Sprechgesang-Rock’n’Roll durchschüttelte.
An sich lag der Schwerpunkt auf Stücken jener Triologie, wohingegen die ersten beiden Alben „Ompa til du dor“ sowie „Evig pint“ nahezu vollständig ausgelassen wurden, was etwas schade war. Dafür war das Bühnenbild – eine von Straßenlaternen gesäumte Straße, die sich in Richtung des am Horizont aufgehenden Mondes verliert – sehr stimmig und tauchte den Saal des Centraltheaters durch regelmäßige Stimmungsänderung sowie zunehmenden Einsatz von Scheinwerfern und Stroboskopen in eine schöne Szenerie. Und als am Ende eines Songs plötzlich Sänger Janove Ottesen das einzig Beleuchtete war, war das schon ein magischer Moment.
Nach rund 100 Minuten gab es zum Abschluss – als zweite Zugabe, denn natürlich ließ niemand die Band nach 80 Minuten so einfach von der Bühne – das von der Band selbst als „bestes Lied“ angekündigte „Dieter Meyer Institut“, welches dieser Bezeichnung durchaus gerecht wird. Ruhig anfangend, sich irgendwann in eine majestätische Hymne steigernd, war man wie gebannt – besonders wenn man wusste, auf welche Art das Lied und somit das Konzert enden würde: mit einem auf zwei mit Felgen besetzten Ölfässern sowie dem vom Schlagzeug vorgetragenen, rhythmisch komplexen Percussion-Inferno. Dass die Band danach trotz frenetischem Jubeln und Pfeifen nicht ein drittes Mal auf die Bühne kam, war dann nur konsequent. Was hätte danach auch noch kommen sollen?
Und auch wenn natürlich der Überraschungseffekt des damaligen Erstkontaktes fehlte und zwei, drei Songs mehr von den ersten Alben schön gewesen wären, kann man dieser Band nur attestieren, dass sie musikalisch und inszenatorisch auch weiterhin zu einer der interessantesten Erscheinungen der derzeitigen Musiklandschaft gehört. Und immer wieder einen Konzertbesuch wert ist.
Kaizers Orchestra
Violeta Violeta Tour
12. März 2012, Centraltheater
www.kaizers.no
Offizielle deutsche Fanseite www.kaizers.de
Als Live-DVD veröffentlichtes Konzert im Vega auf Youtube
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