„Ich bin kein Christ mehr“

Jürgen Domian hat ein gescheites Buch über den Tod geschrieben

Domian (Foto: Annika Fußwinkel)

Warum tut er sich das jede Nacht an? Jürgen Domian ist – für die, die ihn nicht kennen sollten – Moderator, Zuhörer und Seelsorger in der schlicht Domian benamsten Telefon-Talkshow, die allnächtlich um ein Uhr im Radio 1Live und dem WDR-Fernsehen zu sehen und zu hören ist. Die Anrufer können fast immer das Thema selbst bestimmen, über das sie mit Jürgen Domian reden und beratschlagt werden möchten. Nur einmal in der Woche gibt es ein festes Thema, ansonsten wird eine Stunde lang alles Erdenkliche thematisiert: Liebe, Beziehungen, sämtliche Spielformen der Sexualität, Krankheiten und natürlich immer wieder der Tod. Über letzteres Thema hat Jürgen Domian nun ein Buch geschrieben. Die Beschäftigung mit diesem unbequemen Thema findet für ihn nicht erst seit seiner nun 16 Jahre andauernden Zeit als Moderator statt, sondern begann bereits im Kindesalter.

Somit hat sich der Tod im Lauf der Jahre zum Lebensthema von Jürgen Domian gemausert. In den ersten Kapiteln wird die Kindheit und Jugend des einstigen Gummersbacher Messdieners geschildert. Die Antworten auf die essenziellen Fragen lieferte zu der Zeit die Bibel, der allsonntägliche Gottesdienst blieb ein unhinterfragtes Ritual. Erst in seiner Zeit als Student positioniert sich Jürgen Domian neu. Er liest zuerst Nietzsche und Feuerbach, arbeitet sich später durch Kant und Sartre. Aber das Buch ist keine Biographie des eigenen Intellekts. Domian will auch gar nicht mit seinem Wissen prahlen und ruft nicht dezidiert zur Lektüre der genannten Autoren auf. Domian möchte zeigen, wie sehr ihn die Auseinandersetzung mit einem der größten Menschheitsrätsel menschlich geprägt hat. Das anrührende Schlusskapitel über das lange Sterben von Jürgen Domians Vater sowie die Erinnerung an Gespräche mit Menschen, deren restliche Lebenszeit krankheitsbedingt absehbar war, sorgen darüber hinaus dafür, dass sich Interview mit dem Tod von den sonst meist zurecht verschmähten „Promibüchern“ abhebt.

Zugegeben, hier schreibt ein Fan von Jürgen Domian, der so gut wie jede Nacht pünktlich um ein Uhr einschaltet. Deswegen wird auch Nachsicht geübt hinsichtlich der etwas zu dick emotional aufgetragenen, fiktiven Interviews mit dem Tod höchstpersönlich. Trotz der unnötigen fiktionalen Passagen bleibt es dabei: Ein kluges Buch über die großen Fragen des Lebens, geschrieben von einem klugen Mann.

Jürgen Domian: Interview mit dem Tod

Gütersloher Verlagshaus

Gütersloh 2012

176 S. – 16,99 €




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