In der Laberlimousine

Ein bloßes Abspulen von Dialogen: David Cronenberg hat Don Delillos Roman „Cosmopolis“ mit Robert Pattinson in der Hauptrolle verfilmt

Juliette Binoche hat einen Auftritt als eine von Packers mehreren Geliebten (Bilder: Verleih)

Es ist häufiger zu beobachten, dass die Menschen, wenn sie sich über Filme unterhalten, gern folgenden Satz sagen: „Ich habe ja auch das Buch gelesen!“. Öfter wird dies erstaunt zur Kenntnis genommen, merkt man doch auch im Verlauf des Gesprächs über einen Film mit literarischer Vorlage, dass die Kriterien des Zuschauers dahin gehen, die einst bei ihm bei der Lektüre entstandenen Imaginationen vom Regisseur auf die Leinwand gebannt sehen zu wollen. Ob es dem Regisseur gelungen ist, eine ausgeklügelte Neuinterpretation der Buchvorlage zu erschaffen, ist dem belesenen Zuschauer, der nach dem Kinobesuch zum Hobbykomparatist mutiert, meist herzlich egal.

Kanadas wohl bekanntester Regisseur David Cronenberg hat sich nicht einmal ein Jahr nach seinem chronologisch-bieder heruntererzählten Psychodrama Eine dunkle Begierde an die Verfilmung von Don Delillos Roman Cosmopolis gewagt. Wer sich vor oder nach Sichtung von Cronenbergs Verfilmung mit dem Buch auseinandersetzt, der wundert sich in allererster Linie darüber, worin genau der Reiz bestand, diesen dialoglastigen Roman zu verfilmen. In einem Interview verriet Cronenberg, dass die Produzenten auf ihn als Erstes zugekommen wären, woraufhin er aufgrund seiner Sympathie und Bewunderung für Delillo sofort zusagte, den ihm bis dahin unbekannten Roman las und gerade einmal sechs Tage brauchte, um das Drehbuch zu verfassen.

Robert Pattinson spielt den aalglatten New Yorker Börsenspekulanten Eric Packer

Wie man bereits diesen Angaben zum Produktionsprozess des Filmes entnehmen kann, ist die Handlung tatsächlich sehr übersichtlich gehalten, zumal sich im Vergleich von literarischer Vorlage und Verfilmung der Eindruck ergibt, dass Cronenberg beim Schreiben des Drehbuchs ausschließlich die Dialoge des Romans zusammengefasst hat. Also, worum geht es neben dem Abspulen von Dialogen? Der junge New Yorker Börsenspekulant Eric Packer (Robert Pattinson) steht eines morgens im Jahre 2000 vor seiner Limousine und äußert seinem Fahrer gegenüber bloß einen Wunsch: „Ich möchte mir die Haare schneiden lassen“. Die Tatsache, dass der Präsident in der Stadt ist, sorgt für langsames Vorankommen, denn die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen legen den Verkehr lahm. Auf dem Weg zum Frisör trifft Packer auf Mitarbeiter, mehrere Geliebte und diverse Male auf seine Verlobte, zu der er ein mehr als distanziertes Verhältnis pflegt.

Was schon in der Nacherzählung langweilig klingt, ist es auch auf der Leinwand. Frei von jeglicher Dynamik dümpelt die Limousine von einer Station zur nächsten. Die Dialoge sind obskur und des Öfteren unfreiwillig komisch, zum Beispiel, wenn Packer völlig unvermittelt die „tollen Stehtitten“ seiner Verlobten betont. Das muss und will man auch gar nicht verstehen.

Bei aller geheimnisvoll-kryptischen Aufgeladenheit von Cosmopolis verbirgt sich sowohl hinter Delillos Roman als auch Cronenbergs Verfilmung nicht viel mehr als sehr simple Kapitalismuskritik. Dies erscheint nur allzu logisch, eignet sich doch kein Objekt besser für eine Stänkerei gegen die Mächtigen des Finanzmarktes als der skrupellose Aktienhändler, der eiskalt die Märkte dirigiert und völlig unberührt von der eigentlichen Realität in seiner Limousine durch die Gegend kutschiert wird. Selbst als die Aufstände einer antikapitalistisch-rebellischen Formation Packers sowieso schon zerfaserten Tag noch umständlicher als nötig machen, lässt ihn das nahezu völlig kalt. Sogar die Graffiti-Schmierereien auf seiner Limousine bleiben von ihm und seinem Fahrer komplett unkommentiert. Somit wird Packer und seine Einsiedelei in seiner Limousine zu einer Metapher für die gesamten Finanzhaie dieser Welt, denen aller Protest und Vorwarnungen zum großen Crash letztendlich egal sind.

Auf seiner Fahrt durch Big Apple begegnet Packer unter anderem seinem Ex-Mitarbeiter Benno Levin (Paul Giamatti)

Man merkt, dass sich Cronenberg und Delillo mit Cosmopolis etwas gedacht haben. Trotzdem funktioniert dieser Film in seiner Künstlichkeit nicht. Die ununterbrochene Dialoglastigkeit in Verbindung mit der kühl-überästhetisierten Atmosphäre der Limousine als Hauptspielort des Films lassen zu schnell Langeweile aufkommen, zumal sich die Intention des Filmes schon nach kurzer Zeit offenbart und weitere Gedanken in kapitalismuskritischer Richtung gar nicht mehr weiter gesponnen werden.

Einziger Glanzpunkt des Filmes ist Paul Giamatti, der allerdings als verbitterter Ex-Mitarbeiter von Packers Firma erst ganz am Ende seinen Auftritt hat. Das finale Duell zwischen Giamatti und Pattinson könnte durchaus spannend sein, wäre Pattinson nicht die bereits im Vorfeld kritisierte Fehlbesetzung für die Figur des Eric Packer. Zu aalglatt, blass und langweilig ist Pattinsons Ausstrahlung, als dass man ihm die Rolle als skrupellosen Börsenmakler abnehmen könnte. Giamattis Wut hingegen ist authentisch und infiziert den Zuschauer damit, ebenfalls seine Faust zu ballen. Das Letzte, was wir sehen, ist, wie Giamatti eine Waffe auf Pattinsons Kopf richtet. Vielleicht ist er der wahre Held dieses Films.

Cosmopolis

Kanada/Frankreich 2012, 111 Minuten

Regie: David Cronenberg; Darsteller: Robert Pattinson, Juliette Binoche, Sarah Gadon, Mathieu Amalric, Jay Baruchel, Kevin Durand, Paul Giamatti

Kinostart: 5. Juli 2012


Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.