Zwischen journalistischer Praxis und künstlerischer Adaption

Das Festival für Fotografie f/stop gastierte zum 5. Mal in Leipzig

f/stop-Impression (Foto: Nils Petersen)

Nach einjähriger Pause fand das f/stop Festival in diesem Jahr zum 5. Mal in Leipzig statt. Vom 22. Juni bis zum 1.Juli konnte man auf dem Geländer der Leipziger Baumwollspinnerei die verschiedenen Ausstellungen des Fotografiefestivals besichtigen. Die unter dem Motto The History of Now stehende Fotografieausstellung stellte diesjährig den dokumentarischen Charakter des fotografischen Genres in den Mittelpunkt.

In der Halle 12 war das Motto des Festivals Programm. Unter dem gleichnamigen Titel wurden Fotografien und Videoinstallationen präsentiert, die sich allesamt mit der Dokumentation politisch motivierter Ereignisse befassten. Dabei war schnell zu bemerken, dass nicht nur die reine Darstellung tagespolitischer Handlungen im Vordergrund stand, sondern dass das Dargebotene immer durch eine intime Sphäre versucht wurde zu brechen. In der von Christin Krause und Thilo Scheffler (beide leiten gleichzeitig das Festival) kuratierten Ausstellung sind die Arbeiten von Armin Linke und Fabian Bechtel zu erwähnen. Unter zur Hilfenahme des belgrader Bildarchivs des Museum of Yugoslav History entstand durch die mehrteilige Installation eine Ebene zwischen privaten und öffentlichen Bereich rund um den damaligen Machthaber Tito. Eine weitere Arbeit, die, wenn auch in einem Winkel der Halle 12 „versteckt“ wurde, brillierte, waren die Fotografien von Ivor Prickett. Die großformatigen Bilder zeigten Aufnahmen während der Zeit der ägyptischen Revolution. Der malerische Charakter wirkte wie eine große Komposition und rückte die Aufnahmen in die Nähe eines Gemäldes. Zu sehen waren Anti-Mubarak-Aktivisten, wie sie sich nach einer kampfreichen Nacht auf, in und um einen Bus ausruhen. Auf einer anderen Fotografie konnte man eine Reihe von Soldaten, die den Tahrir-Platz bewachen bewundern. Der Tiefgang der Aufnahmen eröffnete einen Raum, der über die Ereignisse des arabischen Frühlings hinausging. Aus der scheinbar objektiven Darstellung entwickelten sich Subjekte, die in ihrer zufälligen Zusammenstellung mehr sein können als reine Symbole und Stellvertreter einer übergeordneten Idee. Der Besucher konnte erschöpfte Menschen sehen, die sich unterhalten, die essen und trinken, Mensch, denen man die Verunsicherung, Ratlosigkeit und Angst ansehen kann, aber auch Mut und Standfestigkeit. Ivor Prickett bricht mit diesen Fotografien die Bildergewalt der Sensation und bietet eine überzeugende Alternative der Dokumentation politisch relevanter Ereignisse.

Bild 1: Korpys/Löffler, Film Still aus: Stadt von Morgen, 2007 © Korpys/Löffler; Bild 2: Ivor Prickett, Anti-government protesters hurl stones at Mubarak supporters from the roof of an abandoned house on the edge of Tahrir Square, aus der Serie: Days of Anger, 2011 © Ivor Prickett/Panos Pictures; Bild 3: Armin Linke & Fabian Bechtle, 1959 (Visit to United Arab Republic) aus: A First Visit to Tito‘s Photographic Cabinet, 2012. © Museum of Yugoslav History, Bild 4-6: f/stop-Impressionen ©Nils Petersen

Im zweiten Obergeschoss der Halle 14 zeigten Studenten der Folkwang Universität der Künste, der Hochschule für Grafik und Buchkunst und der Universität der Künste Berlin Exponate, die sich nicht nur auf fotografische Arbeiten beschränkten, diese aber immer im Fokus behielten. Neben Video- und Klanginstallationen, waren auch skulpturale Beiträge zusehen.

Sehr subtil war in diesem Rahmen die Arbeit von Julia Mensch. Die Berliner Studentin zeigte in einem gläsernen Schaukasten Fotografien, bei denen erst auf den zweiten Blick ein überraschter Aha-Effekt einsetzte. Julia Mensch konfrontierte Fotografien Leipziger Bauwerke von 1973 mit Aufnahmen eben dieser Bauwerke von 2008. Auf einigen der Schwarz-Weiß-Arbeiten entscheiden nur kleine, auf den ersten Blick unscheinbare Details über die Differenz des Gezeigten.

Die im Universal Cube (Halle 14) gezeigte Ausstellung Die Stadt von Morgen (Andree Korpys/Markus Löffler) präsentierte Arbeiten, die sich mit dem Hansaviertel in Berlin auseinandersetzten. Gezeigt wurden Fotografien zerstörter Möbel sowie ein Video, das Bilder des zerstörten Berlins dokumentierte, die von dem Akt der Möbelzerstörung überlagert wurden. Dieser ruinierte Utopos wirkte wie ein Requiem, das gebraucht wird, um wieder Platz zu schaffen. Der Akt der Zerstörung gleicht einem aggressiven Aufräumkommando, das nichts als Splitter hinterlässt. Die Aura der Enttäuschung, die in Wut umgeschlagen ist, lässt sich in diesen Arbeiten nicht retuschieren.

Neben dem 5. Internationalen Fotobuchfestival Kassel, das aufgrund der Documenta nach Leipzig umsiedeln musste, zeigte das Spinnerei archiv massiv unter dem Titel Sea of Promise Fotobücher, die sich mit dem Themenkreis der Migration beschäftigten. Im Rahmenprogramm des Festival fanden des Weiteren Filmvorführungen, Symposien und Künstlergespräche statt. Um das Festival in der Leipziger Kulturlandschaft zu verankern wurden zusätzlich Ausstellungen im Kunstraum D21 und im mzin organisiert.

Im Großen und Ganzen konnten die Besucher eine gut strukturierte, untereinander verknüpfe Fotoschau in Augenschein nehmen, deren Stärke in ihrer Motivkonstanz lag. Ein warnendes Beispiel, wie es dem ursprünglichen Wortsinn (lat: documentum) entspricht, war es hingegen nicht.

f/stop

23. Juni bis 1. Juli 2012, Baumwollspinnerei

www.f-stop-leipzig.de

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