Unternehmen Sammlung

Der Bildband „Corporate Collections“ präsentiert Kunstsammlungen von 70 deutschen Firmen

Corporate Collections ist von seiner rein physischen Erscheinung her kein Buch für die radelnde Arbeiterschaft, sondern eher ein Statussymbol für Wohltäter. Denn auch Wirtschaftsbosse schmücken ihre Büros. Sei es mit Briefbeschwerern, Verkaufstrophäen, Kunst oder eben mit dem Wälzer Corporate Collections über ihre Förderaktivitäten. Bei letzterem handelt es sich um die erste umfassende Bestandsaufnahme der Unternehmenssammlungen in Deutschland. Der nützliche Überblicksband für Galeristen und Museumskuratoren ist zugleich eine komplett unkritische Lobpreisung der Mäzene in Buchform. „Tu Gutes und rede darüber“, lautet die Devise. Die Designer verhehlen nicht den typischen schmückenden Marketingcharakter des Werks: Überformat (29,4 x 25 x 4,4 cm), 467 Seiten, ein schmutzsensibler weißer Einband, goldener Schriftzug, aber doch auch zeitgemäß mit dem Titel in Handschrift-Typografie und zweisprachigen Texten.

Alles eine Frage der Potenz

Dennoch bietet es eine gute Möglichkeit, sich mit den neuen finanzkräftigen Großakteuren auf dem Kunstmarkt vertraut zu machen. Auf der Homepage der Mitherausgeber vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft heißt es stolz zum relativ jungen Phänomen der potenten Käufer: „So sind zahlreiche Unternehmenssammlungen entstanden, die qualitativ und quantitativ den Sammlungen großer deutscher Museen teilweise ebenbürtig sind.“ Tatsächlich sind manche Sammlungen mittlerweile sogar kostenfrei öffentlich zugänglich. Andere Unternehmen leihen ihre Ankäufe Museen. Beispielsweise hat die Deutsche Bank 600 Werke (darunter Baselitz, Beuys, Polke und Richter) als Dauerleihgaben für die vielbeachtete Eröffnung des Neubaus für zeitgenössische Kunst im Frankfurter Städel Museum gestellt. Vielleicht bedingen auch knappe Ankaufbudgets der Museen solche sich in letzter Zeit häufende Ausstellungen von Privat- und Unternehmenssammlungen: „REAL – AUS DER SAMMLUNG DER DZ BANK“, 2008, Städel Museum Frankfurt am Main; „Out of Office: Unternehmen sammeln“, 2010, Kunstmuseum Bochum; „Gunter Sachs – Die Kunst ist weiblich“, Museum der Bildenden Künste Leipzig, 2008 etc.

Museen und Auktionshäuser – Unternehmen bieten jedem etwas

Die meisten sammeln zeitgenössische Kunst. So spülen sie Geld in die Kassen junger Künstler und können im besten Fall auf Wertsteigerungen hoffen, nachdem sie die Arbeiten ein paar Jahre gepflegt und ausgestellt haben. Natürlich ist die Liebe zur Kunst bei den Unternehmen nicht beständiger als andere Lieben oder gar frei von der Hoffnung auf Gegenliebe. Josef Ackermann zum Beispiel veranlasste vor seinem Abgang noch die Räumung des Deutschen Guggenheim in den Berliner Deutsche-Bank-Räumen um bis Ende des Jahres Platz für ein Lobby-Forum zu schaffen.

Neben solchen Größen werden auch viele kleinere Sammlungen vorgestellt. Insgesamt versammelt Corporate Collections 70 deutsche Firmen, die in Kunst investieren und das als Stärkung der Corporate Identity sehen. Jede Firma wird gleichberechtigt mit mehreren Bildern und einem Text vorgestellt. Beim Blättern durch die oft ganzseitigen Abbildungen der Kunstwerke entdeckt man ab und an tatsächlich überraschend spektakuläre Sammlungen. Leider beschwören fast alle Texte eintönig den positiven Effekt, den die Kunst auf die Mitarbeiter hätte. Interessanter sind da die harten Fakten, wie die thematischen Schwerpunkte und die Angaben zum tatsächlichen Umfang der Sammlung. Wirklich spannende wirtschaftliche Fragen bleiben leider offen oder werden nur gestreift: Wie viel Geld wird investiert im Verhältnis zum Gewinn und zu den anderen Akteuren auf dem Markt? Wie wichtig ist die Wertvermehrung durch regelmäßige Verkäufe auf dem Auktionsmarkt? Es bleibt zu hoffen, dass diese Publikation einen vielstimmigeren Diskurs über die Rolle von Unternehmenssammlungen und die wechselseitigen Beziehungen zu Museen anregt.

Corporate Collections

Hrsg. von Olaf Salié, Friedrich Conzen und dem Arbeitskreis Corporate Collecting (ACC) des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. Deutsche Standards, April 2012
Text in Deutsch / Englisch
Gestaltung von Meiré und Meiré
Texte von Gérard Goodrow
DAAB Media
Köln 2012

468 Seiten – 65,00 Euro


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