Hilfe, ich habe den Riesenbiber geschrumpft!

„Unglaubliche Geschichten von ausgestorbenen Tieren“ ist ein unglaublich schönes Buch

Siehst du eine Taube Trudeln:
Lass sie leben. Komm! Iss Nudeln!

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„Wer hatte die dumme Idee, sei Haustier mit nach Australien zu nehmen?“ Und: „Warum hätte sich die Stellerische Seekuh besser nicht blicken lassen?“ Fauna-Frage über Fauna-Frage wird im hinreißenden Kinderbuch Unglaubliche Geschichten von ausgestorbenen Tieren nur aufgeworfen, sie werden auch beantwortet. Großformatig und durchgängig mit Illustrationen in weißen Farben ausgestattet, macht das Blättern und Lesen auch Erwachsenen großen Spaß. Zumindest dann, wenn sie Lust an kleinen Geschichten finden und die grafische Kunst schätzen – und sie auch das Reich der Legende nicht schreckt. Denn neben die zoologischen Fakten sind immer mal die von der Erde getilgten Tierarten betreffende Fabeln und Mythen gestellt.

So wird der legendäre Vogel Roch vorgestellt, der Sinbad den Seefahrer ins Tal der Diamanten entführte. Seinen Ursprung hatte er wohl im Elefantenvogel, der – als Laufvogel – nach dem 17. Jahrhundert nicht mehr gesehen wurde. Einer anderen Überlieferung zufolge schrumpfte der indianische Gott Gluskap einstmals die Riesenbiber, damit diese fortan mit ihren gigantischen Staudämmen nicht mehr die Fischgründe zerstörten. Den Riesenbiber immerhin gab es wirklich, genauso wie das vier Meter große Riesenfaultier, das sich träge durch Steppen und Waldgebiete Südamerikas schleppte – und vor 10.000 Jahren ausgestorben ist. Vielleicht aber auch nicht, immerhin halten sich bis dato Legenden und angebliche Augenzeugenberichte von einem Wesen namens Mapinguari, dessen Gestalt aus Fellberg und Krallenmikado stark ans Riesenfaultier erinnert. Natürlich fehlen weder der berühmte Dodo noch das ebenso bekannte Wollhaarmammut, aber die Lesenden erfahren auch weniger Geläufiges, etwa, wer das größte Geweih aller Zeiten hatte. Und wer hätte gedacht, dass in der Antike einst der Europäische Löwe und der Sizilianische Zwergelefant begehrte Jagdtiere waren.

Auch von anderen, nachweislich durch Menschenhand ausgerottete Tiere wie dem Riesenalk ist zu erfahren, der 1844 von der Erde verschwand. Fischer und Bewohner der Küste liebten das Fleisch dieses auf den Inseln des Atlantiks nistenden Vogels, der auf stolze 75 Zentimeter Höhe kam. Das sich wohl eher vor einem Menschen gefürchtet habende, um 1.000 u. Z. verschwundene Madegassische Zwergflusspferd, reichte dem homo sapiens nur bis zur Hüfte. Und die über numerische Gleichheiten hinausgehende Beziehung zwischen Haast-Adler (3 m Flügelspanne) und Riesenmoa (3 m Höhe) soll hier nicht verraten werden.

Über knapp 80 Seiten führt diese nach Kontinenten geordnete, in wunderschönen Zeichnungen erlebbare Bestandsaufnahme. Ein kleines Glossar erklärt verständlich in Konzepte wie Art und Biodiversität, Klimawandel und Paläontologie. Und eine Zeittafel hilft der Einordnung. Zu jedem Tier findet sich ein Kreis, der den Größenvergleich mit dem Menschen zeigt und Überblicksinformationen wie in Sammelkartenspielen enthält. So wird einem die Kostbarkeit der Artenvielfalt vor Augengeführt – und sei es nur deswegen, weil eine skurrile Mannigfaltigkeit des Getiers viel spannender ist. Die jüngste, im Buch aufgeführte ausgestorbene Art ist der erst 2006 ausgelöschte Chinesische Flussdelphin, einer von fünf Arten der Süßwasserdelphine. Lonesome George, die letzte Galápagos-Riesenschildkröte, wird im Buch noch als lebendig und kleiner Hoffnungsträger geschildert. Er starb am 24. Juni 2012 in der Forschungsstation der Charles Darwin Foundation.

H. Rajcak und D. Laverdunt: Unglaubliche Geschichten von ausgestorbenen Tieren

Aus dem Französischen von Sarah Pasquay

Jacoby & Stuart

ab 10 Jahren

Berlin 2012

77 S. – 18,95 Euro

Verlag Jacoby & Stuart

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