Aua, Schmerzhaftes Biedermeier

Ein Nachschlag zum heiß diskutierten US-Bestseller „Shades of Grey“

Dieses Buch ist für’n Arsch. Ein weiterer Tabubruch zeigt sich als Mogelpackung: Nach schlappen Hundert parfümierten Seiten kommt beim US-Bestseller Shades of Grey erstmals das F-Wort vor – und das auch noch verschämt. Dafür, dass Klemmschwestern wie E. L. James ihre feuchten Schulmädchenträume zu Paier bringen können, hat der Marquis de Sade nicht im Knast gesessen und sich die Finger wund fantasiert. Während heute Hausfrauen schlecht aufgeschriebene, vom Betreuungsgeld abgesparte SM-Fantasien am Frühstückstisch konsumieren, hatte der Stammvater des Sadismus noch mit harter Zensur zu kämpfen.

Pack liebt sich, Pack schlägt sich: Ein pikanter Plot schmeckt anders. Die Studentin Anastasie Steele lernt den Superreichen Christian Grey kennen – große Liebe mit einem Haken: Der Herr mag’s gern derber. Ein Knute-und-Knebel-Vertrag wird aufgesetzt und das fortan Baby genannte Naivchen bekommt zwischen Penthouse und Ponyhof, Poolparty und Privatjet den Hintern versohlt. „Wird es wehtun?“, fragt sie monoton über 600 Seiten hinweg. Nein, nicht sie, der Leser leidet. Aua.

Der Philosoph im Boudoir de Sade hätte solchen literarischen Luschen die Neunschwänzige übergezogen, aber nicht zu knapp. Denn die Trilogie aus „Geheimes Verlangen“, „Gefährliche Liebe“ und „Befreite Lust“ ist geschrieben wie ein Arzt-Roman von Bastei-Lübbe und weder Porno noch sexy: Ganze drei, vier deftigere, aber lustlos festgehaltene Sexszene sollen die Triebleser locken. Wohl kein anderes Buch erweist dem wiedererwachten Biedermeier solche schämige Ehre. Dagegen ist Charlotte Roches Schreibe wahrer Fessel-Sex, und das will was heißen. Shades of Grey soll bald verfilmt werden – ob es weh tun wird? Mit Sicherheit!

E.L. James: Shades of Grey

Goldmann 2012

3 Bde., à 12,99 €

Rezension von Fabian Stiepert zum selben Roman

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