Beats, Rhymes und Diabetes

Mindjazz Pictures hat die Dokumentation „Beats, Rhymes & Life: The Travels Of A Tribe Called Quest“ auf DVD herausgebracht. Ein Fest für jeden Fan des guten, wahren, schönen Hip-Hop

A Tribe Called Quest galten als eine der einflussreichsten und innovativsten Hip-Hop-Gruppen aller Zeiten (von links): Phife Dawg, Q-Tip und Ali Shaheed Muhammad (Fotos: Verleih)

Wenn man die Geschichte der Popmusik betrachtet, dann muss man wohl davon ausgehen, dass Freundschaften in einer Band nichts zu suchen haben. Jahre nach der Auflösung und der darauf folgenden Funkstille tun sich manche Bands trotz vorrangegangener, ungelöster Streitigkeiten wieder zusammen. So haben es auch A Tribe Called Quest(kurz: ATCQ) 2008 nochmal versucht, nachdem die Band sich 1998 aufgrund von persönlichen und künstlerischen Differenzen aufgelöst hatte. Michael Rapaports Dokumentation Beats, Rhymes & Life: The Travels of A Tribe Called Quest lässt uns hautnah, authentisch und anrührend miterleben, wieso das Comeback vorerst scheiterte.

Bevor sich der Film seiner Kernfrage nach dem missglückten Comeback nähert, stellt er uns erstmal die vier Mitglieder von ATCQ vor, die sich größtenteils von Kindesbeinen an kennen. Da wären die Rapper Q-Tip mit der markant-näselnden und Phife Dawg mit der hohen und angerauten Stimme, Produzent und DJ Ali Shaheed Muhammad sowie Jarobi, bei dem man sich schon immer gefragt hat, worin eigentlich konkret seine Aufgabe bei ATCQ besteht. Q-Tip bezeichnet ihn an einer Stelle mit leuchtenden Augen als den „Spirit“, ohne den die Band niemals funktioniert hätte. Gleichzeitig merkt man in jeder der einzelnen Interviewpassagen mit den vier Bandmitgliedern, dass der Geist von ATCQ noch vorhanden ist. Die vier müssen nur im Lauf des Films lernen mit ihm umzugehen, dann wird sich die Gruppe erst recht unsterblich machen.

Pharrell Williams kommt im Film neben vielen anderen Hip-Hop-Größen zu Wort.

Nach der Vorstellung der Band und ihrem Oeuvre, bestehend aus fünf stilbildenden Alben und viel zitierten Singles wie „Can I kick it?“, geht es endlich um die scheinbar fehlgeschlagene Reunion, die in erster Linie unmusikalische Beweggründe hatte. Phife Dawg leidet nämlich seit Jahren an Diabetes und kann kaum noch die horrenden Arztkosten bezahlen. Aus Verständnis für diese Notlage tut sich der Tribe in seiner Originalbesetzung für zehn Konzerte wieder zusammen. Q-Tips überbordende Präsenz und Entertainerqualitäten auf der Bühne vertragen sich nur schlecht mit dem krankheitsbedingt eher auf Sparflamme performenden Phife Dawg. Nach einer unbedachten Aussage Q-Tips vor Livepublikum zerbricht der Tribe ein weiteres Mal. Wie Phife Dawg und Q-Tip einander Vorwürfe machen, das fängt Rapaports Kamera ein und wirkt fast schon kontrapunktisch zur unbeschwerten Nostalgie, die der Film vorher vermittelt hat.

Aber nur zwei Jahre nach dem großen Krach sieht die Welt im Jahr 2010 schon wieder ganz anders aus. Phife Dawg hat eine Lebertransplantation hinter sich und fühlt sich gesundheitlich endlich wieder besser. Nach großer Sorge der anderen Tribe-Mitglieder und statt gefundener Aussöhnung von Phife Dawg und Q-Tip treffen sich alle wieder in einem Proberaum. Die beiden MCs üben eine Choreographie ein und verstehen sich augenscheinlich so blendend wie seit den frühen Neunzigern nicht mehr. Man mag es kaum glauben, aber es wird nach den ganzen unschönen Streitereien weitere Konzerte und vielleicht sogar ein neues Album geben. Der Tribe ist hoffentlich für immer wieder vereint. Wer bei diesem Ende nicht fast den Tränen nahe ist, der hat kein Hip-Hopper-Herz.

Beats, Rhymes & Life: The Travels of A Tribe Called Quest

USA 2012, 95 Minuten

Regie: Michael Rapaport; Mitwirkende: Q-Tip, Phife Dawg, Ali Shaheed Muhammad,Pharrell Williams, Questlove, The Beastie Boys; Mindjazz Pictures im Vertrieb von Alive

DVD-Erscheinungstermin: 26. Oktober 2012


Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.