Finsteres in Comicform

Crime und Crisis: Man braucht keine Jahresendzeit, um auf düstere Gedanken zu kommen. Ein paar Comic-Lesetipps für einen verhangenen Start ins Jahr 2013

Kraftstrotzende Bilder: „Odin“ von Nicolas Jarry

Polymeer

Was schwimmt denn da? Holland ist nicht mehr, Wassermassen schaukeln künftig da, wo einst Gouda und Tomaten reiften. Ganz allein schippert ein Chemie-Doktorand aus Utrecht dahin auf der Suche nach anderen Überlebenden. Die Bildgeschichte Polymeer widmet sich auf ironische Art einem drohenden Klimakollaps. Das viele Meer, also den erhöhten Meeresspiegel, hat das Buch ebenso zum Thema wie die von Plastikmüll überschwemmten Ozeane. In den Alpen, von der Schweizer Marine errettet, erhält der Doktorand Asyl. Er konstruiert eine recht zusammengeschusterte Forscher-Arche-Noah, aus der letztlich ein neuer und wirklich artifizieller Kontinent entsteht. Wie nebenbei wird damit auch das Plastikproblem gelöst. Schwungvoll und in leuchtenden, sich vom gräulichen Wasserblau des Hintergrunds abhebenden Farben ist dieser Hoffnungsschimmer verfasst. Tatsächlich sind die Weltmeere unter anderem durch eine Plastikverschmutzung aus Zivilisationsmüll in Gefahr. Von dieser ist im Informationsteil des Buches ebenso zu lesen wie von Klimaflüchtlingen und Schwimmende-Eiland-Projekten. Denn aufs naive Geschichtenerzählen will sich Autorin Alexandra Klobouk dann doch nicht verlassen in ihrer „apokalyptischen Utopie“.

Odin

Einen anderen Weltuntergang will der einäugige Odin an der Vollendung hindern. Der Boss des nordischen Pantheons stemmt sich Ragnarök, dem vorhergesagten Weltenbrand, mit aller Kraft entgegen. Kraftstrotzend sind auch die Bilder, mit denen Nicolas Jarry, der Text stammt von Erwan Seure-Le Bihan, die Titanentat in zwei Bänden umgesetzt hat. Seine detailreichen Panels sind eine ansehnliche Mischung aus historischer Genauigkeit – etwa an Fibel- und Schwertdarstellung abzulesen – und sprühender Fantasie, was die Kostümierung göttlicher Heerscharen betrifft. In raumgreifenden Gemälden lässt das Autorenduo den weisen Oberhirten, den Krieger und Sänger vom Beginn der Schöpfung erzählen. Nur von diesem her, ist sich Odin gewiss, wird ihr Ende verständlich und ist die Götterdämmerung vielleicht noch aufzuhalten. Berauscht von den Bildern und Farben lesen sich die beiden mythosgetränkten Alben wie eine epische Kurzgeschichte.

Nero

Als drei Alben in einem zusammengefasst kommt die Privatdetektiv-Story Nero daher und erspart dem hiesigen Leser das lange Warten auf eine Fortsetzung, die jene in Frankreich erleben mussten. In dieser klassisch anmutenden Detektiv-Geschichte ist der Ex-Cop Giuliano Nero auf der Suche nach einem … Mörder. Einer jungen Frau wurde die Kehle durchgeschnitten und danach wieder zugenäht. Ein mutmaßlicher Täter befindet sich bereits in Untersuchungshaft, doch die Eltern der Toten wollen daran nicht glauben. Nero übernimmt und steht bald vor einem Haufen Ungereimtheiten. In ruhigem Tempo, ein Gros des Inhalts wird über den Text (Alex Crippa) vermittelt, breitet sich ein Thriller aus. Leicht melancholisch gedrückt gibt sich die Grundstimmung, etwas statisch sind die von blassem Pastellton dominierten Bilder (Zeichnung: Andrea Mutti, Farben: Angelo Bussacchini) gehalten. Doch ist dieser Fall nur der Auftakt für weitere Verstrickungen, in denen sich Nero bald befindet und welche die spannende Lektüre bis zur letzten Seite sichern.

Inspektor Kajetan und die Sache Koslowski

Noch blasser sieht sich die schwarz-weiße Sache Koslowski an. Die tief in die Münchner Räterepublik verstrickte Kriminalgeschichte Robert Hüttners ist zum Klassiker geworden. In Comicform gibt es diese erste Ermittlung Inspektor Kajetans rund um die Ermordung Kurt Eisners als stimmige Adaption. In Bleistiftschraffuren werden die Ränke der weißen Garde lebendig, die die Stadt belagert und von der Versorgung abgeschnitten halten. Jede Seite atmet jene Zeit der Entbehrung und politischen Wirren. Zugleich ist der Zeichenstil abstrakt genug, um den historischen Abstand des Geschehens zu vermitteln. Düster und atmosphärisch dicht liest sich dieser Comic, der eine eigenständige Version des Kriminalromans und eben keine bloße Bebilderung darstellt.

Alexandra Klobouk: Polymeer. Eine apokalyptische Utopie

Onkel & Onkel

Berlin 2012

48 Seiten – 19,95 Euro


Nicolas Jarry u. Erwan Seure-Le Bihan: Odin

2 Bände à 64 Seiten

Ehapa

Köln 2011–12

13,99 bzw. 15,00 Euro


Alex Crippa, Andrea Mutti u. Angelo Bussacchini: Nero

Ehapa

Köln 2011

176 Seiten – 39,99 Euro


Robert Hültner u. Bernd Wiedemann: Inspektor Kajetan und die Sache Koslowski

DVA

München 2011

112 Seiten – 24,99 Euro


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