Jürgen Zielinski zeigt mit seiner Inszenierung von „Kasimir und Karoline“ am Theater der Jungen Welt die Schattenseiten des bunten Jahrmarkttreibens
Kasimir und Karoline sind ein Paar und gemeinsam besuchen sie das Oktoberfest in München. Doch ihre Wege trennen sich nach einem Streit, denn Kasimir hat seinen Job verloren, ihm ist nicht nach Feiern. Karoline hingegen will einfach alle Sorgen vergessen, und ausgelassen sein. So zieht jeder allein los, und das Oktoberfest verschlingt Karoline.
Die Inszenierung von „Kasimir und Karoline“ (Regie Jürgen Zielinski) ist die größte Produktion der Spielzeit und basiert auf Ödön von Horváths gleichnamigen Volksstück. Dieses spielt im Jahre 1929, in der Zeit nach der Weltwirtschaftskrise. „Die Liebe höret nimmer auf“ – dieses Motto hat der deutsch-ungarische Schriftsteller seinem Stück vorangestellt, welches vor 80 Jahren in Leipzig uraufgeführt wurde. Und um Liebe, oder besser: die Wirrungen der Liebe, soll es auch an diesem Abend im Theaterhaus am Lindenauer Markt gehen. Und dafür wurden große Geschütze aufgefahren: eine drehbare Bühne, die Karussell und Achterbahn nachahmen kann, und seine Fahrgäste hoch gen Richtung Schnürboden transportiert. Nur an der Tiefe der Rollen wird zeitweise gespart.
Regisseur und Intendant Zielinski behält in seiner Version des Stückes die alte Sprache des Originaltextes bei, und auch sonst ist die Inszenierung eine wilde Mischung aus 1930er Jahren und heutiger Zeit. So starren zu Beginn des Stückes alle begeistert gen Himmel, rufen „Der Zeppelin, der Zeppelin“, tanzen aber kurze Zeit später zu Icona Pop´s „I Love It“ (vielen sicher bekannt aus der aktuellen Coca-Cola Werbung) und dem Sommerhit des letzten Jahres. Durch diese Gleichzeitigkeit verschiedener Zeiten entsteht eine Reibefläche, die Handlung kann in jede Zeit transferiert werden.
Karoline, stark gespielt von Anna-Lena Zühlke, sucht ihren Spaß auf dem Oktoberfest, und lenkt sich mit dem erfolgreichen, karriereorientierten Eugen ab, den sie zwischen Bierzelt und Eisstand kennenlernt. Kasimir währenddessen steift wildgeworden über die Wiesn und trifft auf seinen alten Bekannten, den Kleinkriminellen und Frauenschläger Merkl Franz. So kommt eins zu anderen, bis schließlich alle Wege in der Katastrophe enden. Die anderen Rollen wirken neben Karolines Darstellung zeitweise eher fad, scheinen nur da zu sein, um Karoline zu unterstützen. So lässt sie sich von der Bühneninstallation (die als Achterbahn dient) wild im Kreis herumfahren, reitet lasziv auf einem Karussellpferd und stimmt keck in die Trinklieder der alten Männer in Lederhosen ein. Die anderen Rollen sind dabei eher auf knappen Text ausgerichtet, stehen gern am Bühnenrand herum oder schleichen im hinteren Bühnenteil durchs Zwielicht. Ihnen hätte neben einer so starken weiblichen Hauptrolle etwas mehr Pepp gutgetan. Auch hat das Stück einige Längen, die aber schnell aufgelöst werden können, und deshalb nicht ins Gewicht fallen.
Mit überzeichneten Stereotypen und grotesken Darstellungen von menschlichen Attraktionen, schafft die Inszenierung von Anfang an ein düsteres Gefühl, welches aufs Gemüt schlägt. Man sehnt sich regelrecht nach den ausgelassenen, lustigen Szenen, die mit Voranschreiten des Stückes immer seltener werden. Eindrucksvoll werden die opulente Bühnenoptik und die freudeversprechende Umgebung mit einem düsteren Vorgeschmack auf den Ausgang des Stückes in Kontrast gesetzt. Eine Achterbahnfahrt, auch für den Zuschauer!
„Kasimir und Karoline“ – Theater der Jungen Welt
Regie: Jürgen Zielinski
Ausstattung: Fabian Gold
Dramaturgie: Gabi dan Droste / Lars Krüger
Musikalische Arrangements: Michael Rodach
Mit: Gösta Bornschein, Sarah Eger, Elisabeth Fues, Katja Göhler, Martin Klemm, Martina Krompholz, Sven Reese, Reinhart Reimann, Matthias Walter, Anna-Lena Zühlke
Premiere: 07.03.2013
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