Ich bin nicht Hamlet, Hamlet ist tot

Stefan Prochnows „Butterland“ auf der Werkstattbühne im Lofft bleibt auch im Nachgeschmack rätselhaft

Fotos: Thomas Puschmann

Der Notausgang der Werkstattbühne ist mit „Alekto“ ausgezeichnet. An der linken Wand hängt ein Rettungsring, auch dort steht „Alekto“. Rechts hängt eine Rettungsweste, winzig, wie die eines Kindes. Große Folienbahnen wurden an der Hinterwand gehangen, zwei Frauen, in schwarz und weiß gekleidet, treten auf und setzen die Bahnen in Bewegung. Es rauscht. Wir sind am Meer. Es beginnt ein Abend der Irrungen und Wirrungen, herzlich Willkommen auf Batterländ, und Hamlet ist tot.

Die Premiere von Butterland (Regie: Stefan Prochnow, Text: Mascha Golda) findet auf der Werkstattbühne im Lofft statt, gefördert durch die Werkstattmacher e.V. Schon die Ankündigung ist kryptisch. Sie etabliert Tod, Utopia, Puppenspiel und Shakespeare. Keiner weiß, was ihn erwartet, zumindest scheint mir das der schwingende Oberton im Foyer zu sein. Und beim Hinausgehen scheint keiner genau zu wissen, was er da bekommen hat.

Drei Darsteller bestreiten diesen Abend: ein Protagonist, der vielfach betont, nicht Hamlet (Julian Affeld) zu sein, und Dideldum und Dideldei – so taufe ich sie provisorisch – sie verzahnen sich in Haltung und Wort und existieren nur im Doppelpack. Der Protagonist nennt sich Hans Moritzen und möchte gerne in Wittenberg studieren. Er lässt sich auf einem Schiff als Matrose anheuern und begibt sich auf die Reise aufs Meer. Alle Darsteller agieren auch als Puppenspieler, Dideldum und Dideldei (Louisa-Christiane Arndt, Sophie Weigelt) bedienen zwei kleine Matrosen am Stock, Hans wiederum steht häufig mit einer Gipsmaske im Disput. Sie ist der Kapitän des Schiffes.

Spielszenen und abstraktes Erklärtheater lösen sich im fliegenden Wechsel ab. Auf der Spielebene wird Hans auf dem Wasser von Schlaf und Wachsein gebeutelt, immer auf Reisen, und wann kommen wir eigentlich an? Die Matrosen lachen ihn aus, der Kapitän vertröstet ihn auf später und später, doch das später tritt nicht ein. Auf der Erklärebene wird von Dideldum und Dideldei der Tod vielfach rezipiert, sie sprechen über biologische, philosophische, theologische Dimensionen.

Die zentrale Frage für mich ist nicht, wo sich die Figuren befinden, sondern, was Shakespeare mit all dem zu tun hat. Vermutlich gar nichts, außer, dass er dem Protagonisten eine Geschichte gibt. Das soll reichen.

Ich weiß von dem Abend nicht viel, für euch nicht, auch für mich nicht. Ich weiß nur, dass es schade ist, dass die interessantesten Geheimnisse dem Publikum preisgegeben wurden. Nämlich dann, wenn mir erklärt wird, wer Alekto ist, und wenn mir erklärt wird, dass Hans Moritzen dann doch Hamlet und tot ist. Das meiste kann ich mir denken, das andere will ich gar nicht wissen. Das ist dann verschenktes Potential in der Krypta. Der Abend bleibt mir unerklärlich. In meinen Notizen steht „Das Verstehen liegt im Nicht-Verstehen“ und mehr kann ich auch nicht ergänzen.

Nur vielleicht ein Gedicht von Samuel Taylor Coleridge von 1796, dass ich mal gelesen habe und mir zu passen scheint.

What if you slept
And what if
In your sleep
You dreamed
And what if
In your dream
You went to heaven
And there plucked a strange and beautiful flower
And what if
When you awoke
You had that flower in your hand
Ah, what then?

Butterland

Regie/Bühne: Stefan Prochnow

Assistenz: Miriam Rieck T

Dramaturgie: Mascha Golda

Puppen: Mascha Golda, Miriam Rieck

Spiel: Julian Affeld, Louisa-Christiane Arndt, Sophie Weigelt

Werkstattmacherin: Anne-Cathrin Lessel

Eine Produktion von Blauer Peter in Zusammenarbeit mit Werkstattmacher e.V. und Lofft

Lofft, 25.03.2013


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