Jonathan Littells Prosabändchen „In Stücken“ hinterlässt nichts als Fragen
Kann man dieses Buch wirklich verstehen? Will es verstanden werden? Wie kommt der Autor darauf, so etwas zu schreiben? Wer ist überhaupt der Erzähler in diesem schmalen Büchlein? Ist der Erzähler wach oder träumt er? Woher kommt er? Wieso wohnt er in einem so weitläufigen, Angst einflößenden Haus? Woran genau leidet sein kranker Sohn, der immer wieder Bestandteil der Handlung ist? Wieso macht der Erzähler von jetzt auf gleich einen Ausflug mit Freunden? Wer ist die Frau, die immer wieder auftaucht? Was genau geschieht mit ihm am Ende?
Kann es sein, dass nach Littells genialem Bestseller Die Wohlgesinnten alles veröffentlicht wird, was bei anderen Autoren in der Schublade landen würde? Ist es ratsam, potenziellen Lesern dieser gänzlich beunruhigenden 60 Seiten vorher ein paar klärende Fragen zu stellen? Wenn ja, welche Fragen wären das? Vielleicht: Erwarten Sie von einem Buch eine konkret gestaltete Handlung? Sind Sie ein abenteuerlustiger Leser? Können Sie mit dem Zustand völliger Verunsicherung leben? Stören Sie sich an hektischen Wechseln der Szenerie? Wenn man diese Fragen mit einem deutlichen „Nein“ beantwortet, kann man dann In Stücken von Jonathan Littell guten Gewissens empfehlen?
Jonathan Littell: In Stücken
Aus dem Französischen von Hainer Kober
limitierte Erstauflage
Matthes & Seitz, Berlin 2013
96 Seiten – 14,90 Euro
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