Mit seiner Eigenproduktion „Paradise Lost“ begibt sich das Junge Spinnwerk auf die Suche nach dem Paradies
Schwarzer Boden umgrenzt von weißen Plastikvorhängen, welche als Bühnenwände fungieren. Die acht weiß gekleideten Darsteller kauern auf dem Boden und spärlich fällt das Licht auf sie herab. Dazu spricht eine Kinderstimme aus dem Off: „Ich ertrage das nicht mehr! Ich träume. Meine Hände sind wund. Ich muss hier raus!“ Damit beginnt die Reise zu den Wünschen und Träumen der jungen Welt.
Utopie bedeutet Nicht-Ort. Eine Gesellschaft, die bisher als solches nicht existiert und nur in Form von Gedanken oder Ideen besteht.
Genau darum geht es in der einstündigen Eigenproduktion der Jungen Spinnwerker unter der Leitung von Veronika Schlereth und Markus Strobl. Die Darsteller zwischen zehn und 15 Jahren bringen ihre Ideen zur Schaffung einer besseren, schöneren neuen Welt auf die Bühne um das verlorene Paradies zu finden.
Im Laufe der Vorstellung zeigt sich in beeindruckender Weise die Vielfältigkeit des einfachen Bühnenbildes. Die Reflexionen des Lichtes auf den weißen Plastikvorhängen steigern die einzelnen Effekte im Zusammenspiel mit der Musik und den Bewegungen der Darsteller. Die eingangs weiße Kulisse beginnt dadurch Farbe zu gewinnen.
So werden in einzelnen Szenen die verschiedensten thematischen Ansätze in kürzester Abfolge verarbeitet. Die Wünsche nach Geborgenheit und Sicherheit scheinen simpel. Ebenfalls die Bedürfnisse akzeptiert zu werden und mehr Zeit für sich zu haben. In einer Welt, die kein Zuhause mehr ist. Geprägt von einer Gesellschaft, die nur noch von Technik umgeben zu sein scheint und stets nach mehr Leistung strebt. Auf diesem Weg wird deutlich, dass die gedankliche Ausarbeitung für das Geschehen auf der Bühne auf mehreren Ebenen stattgefunden hat. Sowohl die äußere als auch die innere Lebenswelt des Menschen wird durch die Tanzchoreographien und im szenischen Spiel verarbeitet. Allerdings fällt zunehmend auf, dass die Darsteller nie eine gemeinsame Idee präsentieren. Besonders deutlich wird dies im Rahmen einer symbolcharakterlichen Szene. Dabei positioniert eine Darstellerin, nach ihrer Vorstellung von Perfektion, die anderen Akteure auf der Bühne.
Im Verlauf liest die Stimme aus dem Off, welche sich nach einiger Zeit einem Kind in den Reihen des Publikums zuordnen lässt, vorgefertigte Fakten und Definitionen vor. Darunter sind solche zu Gefühlen, wie Neid oder Liebe und zu den thematischen Aspekten der Familie und der Gesellschaft.
Die sachliche, schlagwortartige Wortwahl im Rahmen des Vorgelesenen entspricht leider auch der Sprache auf der Bühne. Es wirkt nicht authentisch, wie die junge Welt über ihre Ideale und Wünsche spricht. Aufgrund dessen entsteht eine unnatürliche Spannung zwischen Sprechenden und Gesprochenen. Nur selten hat man das Gefühl, dass eine Übereinstimmung besteht.
Abgesehen von dieser Diskrepanz gibt es am Ende des Stückes eine gemeinsame Erkenntnis. Die drohende Dystopie wird abgewendet, indem ein gemeinsamer Kampf für eine neue Welt beginnt. Dafür wird mit der Hilfe von Seilen ein Boxring geschaffen, die Stimme aus dem Off schreitet auf die Bühne und alle kämpfen gemeinsam für ihre Ideen einer neuen Welt von der keiner genau weiß, wie diese aussehen soll. Damit ist das verlorene Paradies vielleicht doch noch zu finden. Letztlich ein interessanter Abend mit einem leicht bitteren Beigeschmack.
Paradise Lost
Leitung: Veronika Schlereth und Markus Strobl
Dramaturgie: Agnes Fink
Bühne: Mathilde Lehmann
Choreographie: Onur Agbaba
5. April 2013, Spinnwerk
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