Die Stars sind die Kinder

Fröhlich und quirlig inszeniert Gundula Nowack Pierangelo Valtinonis Pinocchio-Oper

Olena Tokar und der Kinderchor (Fotos: Tom Schulze)

„Exzellenz, Sie wissen, unser Spielplan ist am Ende!“ Reichlich verblüfft schaut da Marionettentheaterdirektor Mangiafuoco, alias James Moellenhoff. Welcher Theaterdirektor lässt sich sowas schon gern von seinem eigenen Ensemble sagen? Aufstand, Revolution –normalerweise reagieren die Herrschenden darauf mit dem immer gleichen Reflex: Mit Autoritätsgehabe und Repressionen wird versucht, jede basisdemokratische Regung im Keim zu ersticken. Nicht so in „Die Abenteuer des Pinocchio“ von Carlo Collodi. Hier läuft bekanntermaßen alles anders. Pinocchio verweigert sich jeglicher Autorität, jeglicher Regel. Die Schule wird geschwänzt, Medizin wird verweigert und mit der Wahrheit nimmt es das Geschöpf des Holzschnitzers Gepetto nicht so genau. Welch ein Stoff für Kinder also – da lag es nahe, daraus eine Kinderoper zu ersinnen. Pierangelo Valtinoni (Musik) und Paolo Madron (Libretto) haben sich dieser Aufgabe gestellt. 2001 in Vicenza uraufgeführt, erlebte die deutsche Fassung von Hanna Francesconi 2006 an der Komischen Oper Berlin ihre Erstaufführung.

„Exzellenz, Sie wissen unser Spielplan ist am Ende!“ Ob die Oper Leipzig angesichts des mäßigen Interesses am Spielplan der letzten Jahre diesen Aufruf im Hinterkopf hatte als sie sich entschloss, eine Kinderoper auf die große Bühne zu bringen? Hat doch die Leipziger Oper mit dem Kinderchor unter ihrer künstlerischen Leiterin, Sophie Bauer die allerbesten Voraussetzungen, um dieses Stück mit fast 100 Kindern aus eigener Kraft zu besetzen. Gundula Nowak, langjährige Spielleiterin und Regisseurin, seit 1976 an der Oper Leipzig, hat das Stück ganz im Sinne des Komponisten auf die Bühne gebracht. Fröhlich und quirlig tummeln sich die Grillen, die Marionetten, das Puppenorchester, die Märchenfiguren, die Schlaraffenlandfahrer und die Fische in einem Bühnenbild von Karin Fritz.

Fröhlich und quirlig ist auch die Musik. In der Partitur spielt ein Klavier eine zentrale Rolle, die Klänge illustrieren Pinocchios Abenteuer. Das Gewandhausorchester unter Matthias Foremny, erster ständiger Gastdirigent der Oper Leipzig, spielt in gewohnter Qualität, Margherita Colombo am Klavier kontrastiert mit einer kammermusikalischen Leistung, setzt die Akzente in der Partitur. Die Stars des Abends sind die Kinder, viele Solorollen werden durch die Ensemblemitglieder des Kinderchores abgedeckt. Duos und Quartette werden von den Kindern bewältigt. Großartig ist besonders der volle Chorklang, zum Beispiel in der Schlussszene, in der fast hundert Kinder am Graben stehend ihren glockenklaren Klang ins Publikum schmettern.

Die Hauptrolle gehört natürlich Pinocchio, Olena Tokar scheint diese Rolle auf den Leib geschneidert. Sie singt sich nicht nur scheinbar mühelos durch den Abend, sondern spielt auch mit einer Leichtigkeit, die der Natürlichkeit der Kinder in nichts nachsteht und einen unwillkürlich in den Bann der wundersamen Geschichte zieht.

Die Stars sind die Kinder – das würdigt auch Intendant Ulf Schirmer in der Ansprache zur Premierenfeier. Wahrscheinlich liegt im heutigen Abend ein Stück Zukunft für die Oper Leipzig. Musiktheater für und mit den Jüngsten kann sich gut in die Debatten um die Opernhäuser unserer Zeit einbringen. Und vielleicht wird es ja mal zur Regel, dass die Komponisten am Premierenabend anwesend sind. Auf die Kinder machte es großen Eindruck, als Ulf Schirmer Pierangelo Valtinoni begrüßen konnte. Es gibt genügend lebende Komponisten, die Toten haben wir jetzt genug gespielt!

Pinocchio

Oper in zwei Akten von Pierangelo Valtinoni

Text von Paolo Madron unter Mitarbeit von Jetske Mijnssen nach »Die Abenteuer des Pinocchio« von Carlo Collodi, Deutsche Fassung von Hanna Francesconi

Musikalische Leitung Matthias Foremny | Inszenierung Gundula Nowack | Bühne Karin Fritz | KostümeSven Bindseil | Choreografie Cordula Ege | Einstudierung Kinderchor Sophie Bauer | Dramaturgie Heidi Zippel

Besetzung: Pinocchio Olena Tokar | Geppetto Tomas Möwes | Solisten des Kinderchores | Kinderchor der Oper Leipzig | Gewandhausorchester

Oper Leipzig, 16. März 2013 (Premiere)


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