Zwischen Kindlichkeit und Stärke

Der Dokumentarfilm „Vierzehn“ begleitet vier schwangere Teenager, die in traditionellen Geschlechterrollen gefangen sind. Auf Gesellschaftskritik verzichtet Regisseurin Cornelia Grünberg trotzdem

Von der unerwarteten Schwanger- bis zur teils akzeptierten Mutterschaft: „Vierzehn“ zeigt Kinder, die Kinder kriegen (Fotos: Farbfilm)

Laura, Steffi, Fabienne und Lisa sind schwanger. Alle vier sind erst vierzehn Jahre alt. Die Regisseurin Cornelia Grünberg hat in ihrem Film Vierzehn die Mädchen über zwei Jahre lang begleitet und auf respektvolle, oft unterhaltsame Weise deren Auseinandersetzungen mit dem Schwangersein und Mutterwerden dokumentiert.

Keine der Protagonistinnen hat die Schwangerschaft geplant. Die Frage danach, wie es trotzdem dazu kommen konnte, offenbart, dass trotz aller Normalität und Präsenz von Sexualität, trotz allem Aufklärungsunterricht eben doch noch nicht ganz klar ist, wie das läuft: Ja, man kann auch von einem einzigem Mal Hetero-Geschlechtsverkehr ohne Verhütung schwanger werden! Mit dem Ergebnis ihrer Verhütungspannen gehen die vier Mädchen unterschiedlich um: Laura träumt von einer großen Familie mit ihrem Freund Steven, Lisa verheimlicht die Schwangerschaft, bis es für eine Entscheidung dagegen zu spät ist, Steffi würde „es“ am liebsten loswerden, und Fabienne wird von allen Seiten zum Schwangerschaftsabbruch gedrängt, entscheidet sich dann aber doch für das Kind.

Viel Raum wird in Vierzehn den Erzählungen und der Reflexion der Protagonistinnen eingeräumt; gerade damit gelingt es der Regisseurin, sie in ihrer Ambivalenz, ihrer Stärke und Kindlichkeit einzufangen. Ihr Witz und ihre Klugheit machen den Film, neben allem aufklärerischen Potenzial, zu einem großen Vergnügen: So zum Beispiel, wenn sich Ex-Partygirl Fabienne mit einer Freundin darüber unterhält, ob Gott wohl etwas dagegen hätte, wenn ihr Sohn schwul wäre. Die Freundin ist sich ganz sicher: Gott fände das nicht gut. Fabienne dagegen ist davon überzeugt, dass es Gott ganz egal ist, ob ihr Kind Männer oder Frauen liebt ― ihr ist es jedenfalls egal! Sie hätte nichts gegen einen schwulen Sohn, nur ein Streber soll’s nicht werden.

Voller freundlichem, vorurteilsfreiem Interesse nähert sich Regisseurin Grünberg den Mädchen, die darauf mit großer Offenheit reagieren. Zuweilen ist das dann fast zu viel des Guten: Der Film klebt regelrecht an seinen Protagonistinnen. Fragen nach sozialem Kontext und familiärem Background bleiben offen, die Rolle der Familie schwammig. Keine der Mütter, jetzt Großmütter, spricht zum Beispiel darüber, welche Erfahrungen sie ihrer Tochter gerne mitgeben würde, woraus sich das Unbehagen angesichts deren Schwangerschaft speist. Dadurch erscheint das Ereignis seltsam aus Raum und Zeit gerissen, als etwas, das die Mädchen ganz allein mit und für sich durchmachen müssen. Wo Intimität erzeugt werden soll, erscheint diese dann als Isolation.

Die Väter bleiben im Film seltsam blass ― ein Spiegel ihrer Nebenrolle, die sie in den Teenager-Familien spielen

Die Jungs, die ungeplant, teils auch ungewollt Väter werden, haben in diesem Film nur Nebenrollen. Das scheint einerseits einfach die Realität widerzuspiegeln, allerdings wird auch nicht der Versuch unternommen, hier etwas zu durchbrechen, diese Lücke deutlicher zu problematisieren. Alle Mädchen sind ganz selbstverständlich hauptverantwortlich für das Kind, während die Väter arbeiten gehen oder einfach abwesend sind. Der Film wirft die Frage danach auf, wie es eigentlich um Identitätsangebote für junge Frauen bestellt ist, um Zukunftsvisionen, Träume, wenn das Erwachsenwerden so geradlinig mit gesellschaftlichen Normen zusammenläuft.

Im Gegensatz zum Beispiel zu dem Spielfilm 17 Mädchen, der ebenfalls Teenager-Schwangerschaften zum Thema hat, wird hier nicht von Frauenkommunen und anderen alternativen Lebensmodellen geträumt: Die Mädchen scheinen sehr auf ihre Herkunftsfamilie zurückgeworfen ― und auf klassische Geschlechterrollen in ihren Zweierbeziehungen. Während Fabienne sich in ihrer neuen Rolle fast zu gut zurechtfindet, leidet Laura deutlich unter der Umstellung. In einer Szene sieht man sie blass und erschöpft an einen riesigen Teddybären gelehnt; sie erzählt, wie sie seit der Geburt des Kindes „von einer Depression in die nächste“ rutscht: „Manchmal verstehe ich Mütter, die ihre Kinder umbringen.“ Sie ist es auch, die im Gespräch mit Mutter und Oma die Dreifachbelastung der Frauen beklagt: Arbeit, Kind und Haushalt, das sei doch ungerecht! Die beiden älteren Frauen reagieren darauf sehr verhalten: Die Oma meint letztlich nur, man müsse sich seinen Mann eben richtig „erziehen“. Traurig, dass junge Mädchen Anfang der 2000er-Jahre die gleichen Erfahrungen machen müssen wie Generationen von Frauen vor ihnen; und schade, dass die Mütter und Großmütter im Film darauf keine bessere Antwort wissen.

Cornelia Grünberg hat einen Film gemacht, der respekt- und liebevoll auf schwangere Teenager schaut, ohne zu urteilen oder schönzufärben. An manchen Stellen wäre ein etwas kritischerer Blick wünschenswert gewesen. Vierzehn berührt, lässt aber die Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang mit Kinderkriegen offen und problematisiert kaum die überholten Geschlechter- und Familienbilder, die für die jungen Frauen viel zu selbstverständlich scheinen. Eine Ahnung, wie es zumindest im Kleinen anders aussehen könnte, bekommt man mit Blick auf Lisas Geschichte: Ihr Kind wird in eine Großfamilie hineingeboren, sie ist selten mit dem Baby alleine. Vielleicht zählt am Ende weniger das Alter der Mutter als der soziale Kontext, der Müttern, Vätern und Kindern mehr oder weniger Freiraum und ein Leben jenseits kleinfamiliärer Isolation ermöglicht.

Vierzehn

Deutschland 2012, 95 Minuten

Regie: Cornelia Grünberg; Mitwirkende: Steffi Schmolz, Laura Keller, Fabienne Renaud, Lisa Brown

Kinostart: 25. April 2013


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