Hure, Heilige oder beides?

Im Insel Verlag liegt Alexandre Dumas’ „Die Kameliendame“ in einer Neuübersetzung vor

Manche Bücher haben über 150 Jahre nach ihrem Erscheinen nichts an Charme und Esprit verloren. Die Kameliendame von Alexandre Dumas gehört zweifellos dazu. Allein schon das Raffinement der Erzählung ist bestechend und sucht in der Gegenwartsliteratur seinesgleichen. Der anfängliche Ich-Erzähler stößt nämlich in den Pariser Straßen auf eine Auktion, bei der es den Haushalt der viel zu früh verstorbenen Mätresse Marguerite Gautier aufzulösen gilt. Von all dem Prunk und Protz der Wohnung irritiert, kauft er nur eine Ausgabe des französischen Klassikers Manon Lescaut. Die Widmung im Buch stammt von Armand Duval, der einst heillos in Marguerite verliebt war. Wie es dazu kam, erzählt Armand höchstselbst und ändert damit die zuvor charmant plaudernde Tonart des Romans in ein leidenschaftliches Parlando.

Denn die Geschichte der Kameliendame Marguerite Gautier ist eine Amour fou, die alles zu bieten hat, was ein gutes Buch braucht: Herzblut, Emotionen, Eifersucht, Krankheit und natürlich der tödliche Ausgang für einen der Beteiligten. Marguerite Gautier wird damit zum Opfer ihrer eigenen Zeit und der damit verbundenen Moral, und eben das verleiht der so simplen wie zeitlos schönen Romanhandlung ihre wuchtige Dramatik. Wer diesen Evergreen der Literaturgeschichte noch nicht kennt, der greife nun zu Andrea Spinglers Neuübersetzung. Der sowieso schon ungemein süffige Text sollte für jeden halbwegs gebildeten Leser jetzt erst recht zu bezwingen sein. Der Apparat mit Anmerkungen räumt letzte Fragen aus dem Weg und öffnet einem die Tore zu einem unvergesslichen Leseerlebnis.

Alexandre Dumas: Die Kameliendame

Neu übersetzt von Andrea Spingler

Insel Verlag

Berlin 2012

246 Seiten – 21,95 Euro

Suhrkamp-Verlag

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