Offenbarung in Rot-Weiß

Der Körper im Mittelpunkt der Darstellung – „Epiphanie“ im Lofft

Ein kleines Mädchen hängt im opulenten Kostüm von der Decke, wenn man den Raum des Loffts betritt. Zwischen zwei roten Lampen, der warnenden Signalfarbe, ein unschuldiges Mädchen, ganz in Weiß. Unter ihr ein Megaphon – sie wird es nicht benutzen, aber die Möglichkeit bietet sich ihr erst einmal.

Das Mädchen ist die 12-jährige Leoni Ruhland. Ein Mädchen, kurz vor der Pubertät, der Selbstfindungsphase, mitten in einer Identitätssuche. Wie sie dort oben von der Decke hängt, erscheint sie als engelsgleiche Offenbarung. Sie beginnt zu sprechen – langsam und leise.

Dieses Mädchen, das ihren Körper erst noch entdecken muss, erzählt an diesem Abend von der Suche nach sich selbst, eingebettet in ihre Erzählung sind Texte von Foucault, Bergmann, Dostojewski, Fassbinder, Beckett und anderen. Es geht um den Körper. Wenn sie vom Körper erzählt, steht dies im absoluten Widerspruch zu ihrer Erfahrung. Antithetisch dazu ihre Bewegungen: Langsam, fast schon unsicher holt sie die Hände aus den Hosentaschen und steckt sie zurück. Sie zeigt damit an, dass sie ihren Körper erst noch erlernen muss. Eine Zerrissenheit zeigt sich hier zwischen dem Erzählten und Gezeigten. Eine unsichere Haltung, ein ängstlicher Blick mit Händen in den Taschen und der philosophischen Auseinandersetzung mit dem Körper. Die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens werden mit einfachen Gesten auf die Bühne gebracht und verfehlen dabei nicht ihre Wirkung. Die Zerrissenheit der jungen Schauspielerin bleibt nicht ohne Lacher für das Publikum. Ist sie in ein opulentes Kostüm in Weiß und Gold gekleidet, beginnt sie von ihrer schäbigen Kleidung zu sprechen. Dieser Widerspruch, der im Publikum Schmunzeln auslöst, zeigt das „Himmelhochjauchzen“ und „zu Tode betrübt“ der Adoleszenzphase.

Wenn dieser Abend beeindruckte durch die Leistung von Leoni Ruhland, die mit wenig Bewegung viel Wirkung erzielte, so blieb die Epiphanie, die der Titel verspricht, dennoch aus. Waren die Texte der Philosophen geschickt miteinander verwoben, so blieb am Ende die erhoffte Wandlung von Unsicherheit in Sicherheit aus. Leise wie zu Beginn verhallte die Erzählung von Leonie. Beinhaltet eine Epiphanie eine Erscheinung, eine Offenbarung einer Gottheit mit dem Ziel der Katharsis, bleibt hier die Hoffnung auf Erlösung. Dieser Abend zeigte keine göttliche Erscheinung, sondern eine Sinnsuche, die Hoffnung der Offenbarung des Ichs.

Epiphanie – LOFFT

Darstellerin: Leoni Ruhland

Regie: Julian Rauter

Premiere: 9. Mai 2013, weitere Vorstellung beim Bewegungskunstpreis am 12. Juli, 20 Uhr, Lofft


Ein Kommentar anzeigen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.