Weg vom Oper-Best-of-Programm

Salzburg Contemporary 2013: Inspirierende Erlebnisse an außergewöhnlichen Orten

Martin Grubinger – The Percussive Planet Ensemble (Fotos: Silvia Lelli)

Salzburg Contemporary, ein Schwerpunkt der Salzburger Festspiele – das sind in diesem Jahr elf Konzerte und die fünfmalige Aufführung der Oper Gawain von Harrison Birthwistle zwischen dem 19. Juli und 1. September. Wie jedes Jahr ist das Programm in der Breite angelegt. Es gibt den Schwerpunkt Japan mit Toshio Hosokawa und die Musik von Harrison Birthwistle, der durch die Aufführung der Neufassung seiner Oper Gawain im Mittelpunkt steht.

Die prächtige Kollegienkirche ist seit den 1990er Jahren Aufführungsort für Neue Musik. Am 22. Juli widmete sich das japanische Ensemble Yüsei aus Tokio Alten Musikformen und der neuen Klangsprache von Toshio Hosokawa. Besonderes Highlight dieses Konzertes war der farbige Mandala Teppich auf der Bühne, Farbe und Sanskritzeichen nahmen Bezug auf die Komposition Toshio Hosokawas.

Im ehrwürdigen Großen Saal des Mozarteums erwartete die Zuhörer am 25. Juli ein Programm von Franz List und Oliver Messiaen. Pierre-Laurent Aimard, Messiaen Experte, trug wesentlich zum Erfolg der Aufführung bei. Das Konzert am 3. August in der Felsenreitschule (mit 1.400 Sitzplätzen) bestand ausschließlich aus Werken von zeitgenössischen Komponisten. Das Konzert war seit Wochen ausverkauft, Martin Grubinger und sein Projekt Percussive Planet machten es möglich. Ebenso in der Felsenreitschule finden die Aufführungen von Gawain unter dem genialen Ingo Metzmacher statt. So unterschiedlich die Konzepte der einzelnen Konzerte auch sind, so gemeinsam ist der Ansatz Neue Musik an das vom Opern-Klassiker-Best-of-Programm verwöhnte Festspielpublikum heranzutragen. Das gelangt durch den Anspruch des ganz spezifischen Konzerterlebnisses. Die herausragenden Interpreten, ungewöhnlichen Orte generierten Events mit hohem Erinnerungswert: ein japanisches Ensemble, was auf einem Mandala Teppich musiziert, ein Konzert für zwei Klaviere von Messiaen oder räumliche Klangprozesse mit sechs in der Felsenreitschule verteilten Schlagzeugern.

Ensemble Yüsei

Kaum hörbar begann der Konzertabend in der Felsenreitschule. Martin Grubinger streichelt die großen Trommeln, das Umblättern der Noten, Geräusche von Papierfächern (es herrschte seit Tagen eine tropische Hitze in Salzburg) mischen sich unter das Stück Le Noir de l´Étoile für sechs Schlagzeuger und Tonband von Gérard Grisey. Es beschäftigt sich programmatisch mit dem Weltall, nimmt Bezug auf sogenannte Pulsare, also Sterne, die während des Verglühens periodisch wiederkehrende Rhythmen abgeben. Auf der Erde kommen diese Signale durch die immensen Entfernungen erst viel später an – Geräusche aus der Vergangenheit. Die Zeit ist ein typisches Moment des Komposition Grisey. Die Tonbandaufnahmen stammen aus einem Radioteleskop. Dieser dunkle Sog des Weltraums legt den Grund des Stückes, die sechs im Raum verteilten Schlagzeuge variieren dieses klangliche Material, es entwickeln sich eruptive Höhepunkte. Durch die Verteilung der Instrumente im Raum entsteht ein physisches Erlebnis, manche Zuhörer greifen zu den am Anfang höflich verteilten Ohrstöpseln. Nach der Pause Thirteen Drums von Maki Ishi, ein Stück für dreizehn verschiedene Fellinstrumente. Martin Grubinger ist in seinem Element! Abwechselnd mit den Händen und verschiedenen Sticks wird eine an archaische Beschwörungen erinnernde Atmosphäre erzeugt. Das nächste Stück The Wave von Keiko Abes für Marimba und vier Schlagzeuger wird von asiatischer Dynamik bestimmt. Die Spieler ergänzen die auf- und abschwellenden Klangwellen mit markanten Schreien, der Marimbaspieler als Primus inter pares treibt die Schlagzeuger vor sich her. Nach dem kraftvollen Finale tobt der Saal. Die Uraufführung des heutigen Abends nach der zweiten Pause hat es nach solcherart Feuerwerk nicht leicht. Friedrich Cerhas Stück Étoile für sechs Schlagzeuger fehlt ein wenig die stringente Idee. Der im Raum verteilte Klangapparat produziert entfernende und sich wieder nähernde Rhythmen, Klangkaskaden bauen sich bedrohlich auf und stürzen in sich zusammen. Die wohl von Cerha gewollte räumlich kreisende Wirkung, wie sie sich beispielsweise bei Stockhausens Orchesterstück Gruppen einstellt, ist nur sehr schwach. Vielleicht liegt das ein wenig an der immensen Instrumentierung der sechs Schlagzeuger: Sechs Stabspiele, zwei Xylophone, ein fünfoktaviges Marimbaphon, ein Glockenspiel und zwei sogenannte Sixxen, metallisch timbrierte und mikrotonal gestimmte Stabspiele, die Iannis Xenakis für sein Stück Pleiades erfunden hatte. Das Finale wird bestimmt von einer Sirene, Schüssen und Trillerpfeifen.

Salzburg Contemporary, das waren in diesem Jahr wieder eine Vielzahl von (ausverkauften) Konzerten zeitgenössischer Kompositionen und inspirierende Erlebnisse in der von den Festspielen geprägten wundervollen Atmosphäre Salzburgs.

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