Die Wacht am Sein

„Heimdall“: Max Baitinger hat die Tagträume eines nordischen Gottes aufgezeichnet

Heimdall hält die Wacht am Sein. Er hockt in der Himmelsburg am anderen Ende von Bifröst und bewacht den regenbogenfarben-schwankenden Übergang von Midgard nach Asgard. Wenn eines Tages Ragnarök losbricht, dann führt er Gjallarhorn zum Mund und warnt Odin, Thor und die seinen vor dem beginnenden Weltenbrand. Klingt kryptisch? Aber so steht es geschrieben.

Gottlob – welche auch immer – muss man die (Un-)Tiefen der nordischen Mythologie nicht ausgelotet haben, um sich an Max Baitingers Bilderfolge Heimdall zu erfreuen. Der Zeichner widmet sich gewissermaßen der menschlichen Seite des allsehenden Wächtergottes. Der kommt nämlich ohne Schlaf aus und muss sich deswegen seinen Tagträumen hingeben. Diese sind natürlich fest verquickt mit seiner Welt und so berichtet er in einsilbigen Worten, aber mit umso skurrileren Bildern gespickt von Treiben der Menschen. Er zählt das Schlachten und Feiern der in Walhall eingegangenen Krieger auf und schildert die ewige Wiederkehr des Ganzen. Immerhin haben auch Götter einen Alltag. Auch von Zweifeln können sie geplagt sein: Schließlich hat Heimdall sein Horn noch nie ausprobiert. Was also, wenn es nicht funktioniert? Und der große Wolf die Sonne ohne seine Warnung frisst?

In zunächst grobschlächtigen, an Piktogramme erinnernden Schwarz-Weiß-Zeichnungen entwickelt Baitinger seine Parabel von der Schwierigkeit ein Gott zu sein. Beim genaueren Hinsehen zeigen sich aber viele witzige Details, versprühen die Panels Esprit und Poesie. Allzumenschlich erscheinen plötzlich die Götter und die Menschen sind wuselnde Ameisenimitate. In dieser Mischung aus ironischen Splittern und an die ästhetische Naivität archaischer Steinzeichnungen erinnernden Bildern liegt der ganze Charme dieses ansehnlichen Albums.

Max Baitinger: Heimdall

Rotopolpress

Kassel 2013

48 S. – 15 Euro

www.rotopolpress.de


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