Die Adoleszenz ist der wahre Horror

Stephen King hat mit „Joyland“ einen hinreißenden Roman übers Erwachsenwerden geschrieben

Nichts veranlasst Literaturkritiker zu saftigeren Verrissen als Autoren mit großer Fangemeinde. Bei esoterisch-verlogenen Erbauungsliteraten wie Paulo Coelho ist es zweifellos Aufgabe der Kritik, auf so eine literarische Mogelpackung mit harschen Worten hinzuweisen. Bei einem Autor wie Stephen King, der seit Jahrzehnten dicke, epische Wälzer veröffentlicht, die geistreich, intelligent, spannend und unterhaltsam sind, tut sich das Feuilleton dagegen eher schwer. Aber wieso eigentlich? Kings Bücher sind frei von Stilblüten und kommen weitestgehend ohne Klischees aus. Kein Wunder, dass viele davon eher irritiert sind und sich nicht zu einer Pro- oder Kontrahaltung hinreißen lassen wollen, schließlich handelt es sich um einen Auflagenkönig mit über 400 Millionen verkauften Büchern.

Wer Kings aktuellsten Roman Joyland liest, der kommt schnell dahinter, wieso die Fans ihm so lange die Treue halten. Joyland erzählt von einem ganz normalen Studenten namens Devin Jones, der sich über die Sommerferien das notorisch leere Studentenkonto auffüllen möchte und deswegen als Hilfsarbeiter in einem mittelmäßigen Freizeitpark anheuert. Während seiner Zeit dort lernt er alle möglichen schrägen Gestalten kennen und natürlich auch das eine oder andere hübsche Mädchen lieben. Das Horror- und Crimeelement in diesem Roman darf natürlich auch nicht fehlen, also lässt King seinen Helden noch ein Rätsel rund um einen Mordfall lösen, der vor einigen Jahren in der Geisterbahn des Joyland passiert ist.

Der Coming-of-Age-Roman wird auf 352 äußerst kurzweiligen Seiten natürlich nicht gerade neu erfunden. Die Lektüre von Joyland ist aber deshalb so fesselnd, weil King seinen Protagonisten mit bittersüßer Melancholie und dem Erstaunen darüber, was und wer man selbst war, Rückschau halten lässt.

Martin Walser sagte einmal passend dazu über Stephen King, dass dieser in seinen Werken versuche, der Sekunde des Todes so nahe wie möglich zu kommen. Walser hat damit völlig Recht, Kings Gesamtwerk hat den „Memento mori“-Gedanken wie kaum ein anderes in Stein gemeißelt. Auch Devin Jones erfährt im Sommer seines Lebens seine eigene Sterblichkeit. Wer aber Stephen Kings unnachahmlichen Blick auf Kleinigkeiten teilt und versteht, kann in der Betrachtung der schönen Dinge des Lebens nahezu unermesslichen Trost finden. Trotz der immer währenden Bedrohung durch den eigenen Tod.

Stephen King: Joyland

aus dem Amerikanischen von Hannes Riffel

Heyne Verlag

München 2013

352 Seiten – 19,99 Euro


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