Der Teufel war dabei

Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik 2013, 3. Platz: Rezension über die Bühnen-Performance „How do you imagine the devil?“ von Dani Brown, in der sie ihr Publikum mit sich selbst konfrontiert

„Tonight will never be repeated.“ Mit Nachdruck und bestimmt wiederholt Dani Brown diesen Satz noch einmal. Fast wirken ihre Worte wie eine Drohung, adressiert an das Publikum.

In High Heels, einem Hosenanzug und mit rot geschminkten Lippen betritt Dani Brown die Studiobühne. Bedacht geht sie die Bühne auf und ab und fixiert dabei die Zuschauenden. Sie schaut mir tief in die Augen. Ihre Absätze klacken am Boden mit jedem Schritt: „Good evening Ladys and Gentlemen. I’m very happy to be here tonight. I trained hard the last couple of months to show this performance.“ haucht Dani Brown in ein Mikrofon. Ihre rauchig, fast lasziv wirkende Stimme erfüllt den Raum und schafft Unbehagen. Ich kann ihr kaum in die Augen schauen, solch eine Dominanz übt sie auf mich aus. „Do whatever you want to do with me.“ fordert Dani Brown schließlich uns, das Publikum, auf. Die Zuschauenden verstummen vollkommen. Eine Frau in der vordersten Reihe steht nach einer Weile auf und küsst Dani Brown. Ein vorsichtiger, zaghafter Kuss, der noch mehr Unbehagen in mir auslöst. Absolute Stille im Raum. Wer ist diese Frau, die die Bühne betritt und in ihrer Hingabe dem Publikum gegenüber zugleich ein solches Dominanzgefälle aufbaut?

„How do you imagine the devil?“ ist Dani Browns erste Soloproduktion. Die junge, US-amerikanische Nachwuchskünstlerin zog es vor einigen Jahren nach Europa, wo sie 2005, nach ihrem Abschluss am Arnhemer College of Art (Niederlande), das Künstler_innenkollektiv Fingersix mitbegründete. Momentan ist sie in Hamburg ansässig. An diesem Abend, dem 26. April 2013 zeigt Dani Brown ihr Solo im Rahmen der Veranstaltungsreihe International Friday im Lofft, Leipzig.

Wer ist diese Frau? Die Frage drängt sich umso mehr auf, als sie beginnt sich auszuziehen und den Hosenanzug gegen Turnschuhe und Trainingshose tauscht. Eine sportliche, junge Dani Brown hüpft da auf der Bühne: „Hey guys! It’s just awesome being here with you tonight. I worked like hell for my show!“ Sie spricht mit einschlägigem Südstaaten-Akzent und hat wohl schon viel erlebt in ihrem Leben. Was davon der Wahrheit entspricht, dass überlässt sie dem Publikum.

Dani Brown wird an diesem Abend noch so einige Metamorphosen durchlaufen. Teils lässt sie das Publikum Zeuge sein dieser metamorphen Übergänge von einer Person in eine andere. Dann wiederum verschwindet sie hinter der Bühne und zeigt sich unvermittelt in einem anderen ‚Ich‘. An den Grenzen dieser vielen ‚Ichs‘ kippt zugleich das vermeintlich Menschliche ihrer Persönlichkeiten ins Animalische. Sie verzerrt in diesen Momenten ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit. Aus ihrem Mund sprudeln Laute, die nichts mehr bedeuten.

‚Pure‘ lebendige Ausdruckskraft tritt zutage. Ihre Bewegungen erinnern von Zeit zu Zeit an die einer ‚Untoten‘, wie sie in Zombie-Filmen choreografiert werden. Der Körper wirkt zersplittert, Arme und Beine agieren losgelöst voneinander, der gesamte Rumpf bäumt sich auf. Im nächsten Moment bringt Dani Brown dem Publikum fachlich fundiert die Besonderheiten des Lap Dance‘ näher. Dieser bleibt jedoch meiner Imagination überlassen. Ich folge ihrer Einladung hinter den Vorhang nicht und bleibe auf meinem Stuhl sitzen.

„How do you imagine the devil?“ – eine Performance der Extreme. Weder Dani Browns nackter Körper noch ihre physischen Grenzerfahrungen, denen das Publikum beiwohnt, wirken extrem. Der Einsatz von Nacktheit ist längst weit verbreitetes Stilmittel auf den Bühnen der freien Tanz- und Theaterszene. Nacktheit erregt keinen Anstoß mehr, zumindest solange der nackte Körper gut durchtrainiert und entsprechend in Szene gesetzt ist.

Vielmehr als ihre Nacktheit, ist es die Art und Weise, in der Dani Brown ihr Publikum involviert: unberechenbar und erbarmungslos. Sie verführt das Publikum durch schlichtweg überzeugendes, theatralisches Können. Eine erbarmungslose denn genussvolle Verführung, da ich ihre hingebungsvolle Nacktheit ertragen muss bzw. viel entscheidender mich in der Position der Voyeuristin. Es sind die eigenen Haltungen gegenüber der multiplen Dani Brown, die Unbehagen auslösen. Haltungen in die mich ihre verschiedenen Rollen auf der Bühne unnachgiebig drängen. Um mich herum Stille, angespannte Stille. Womöglich geht es den anderen auf der Publikumstribüne ähnlich.

Es ist ihre erste Soloproduktion, in der Dani Brown das Format des Solos zugleich weit über seine Grenzen führt. Eine One-Woman-Show, die die eigenen physischen Grenzen und die Grenzen in der Beziehung zum Publikum stetig austestet. Die im Grunde das Solo als einen andauernden Dialog anlegt. Dabei muss ich gar nicht aktiv antworten. Die Antwort übernehmen wie von allein die verschiedenen Rollen, in die mich Dani Brown drängt. In jedem Moment dieser Performance, mit jeder Bewegung und jedem neuen Satz schwingt zugleich der Subtext mit, wie weit Dani Brown heute Abend mit uns gehen kann. Es ist eine erbarmungslose Konfrontation mit mir selbst. Konfrontiert damit, verführt worden zu sein.

„This is the end!“ schreit Dani Brown ins Publikum während sie die Hände einer Zuschauerin fest packt. Nach diesem Schrei, Stille im Raum, die nur langsam durch zaghaftes Klatschen und schließlich lauten Applaus durchbrochen wird. Auf Dani Browns Webseite ist ein Teaser der Soloproduktion „How do you imagine the devil?“ zu finden. Das Publikum dieses Zusammenschnitts lacht am Ende laut und gelöst. Eine vollkommen andere Atmosphäre als in Leipzig: „Tonight will never be repeated“.

How do you imagine the devil?

Solo-Performance von und mit Dani Brown

Veranstaltungsreihe International Friday

26. April 2013, Lofft, Leipzig


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