Ein echter Pirat braucht keinen Papagei!

Flaschenpost: Kapitän Mixsa und seine Matrosen erfolgreich im Premierenhafen der Schatzinsel eingetroffen

Kapitän Smollet: „Ich hasse Schatzsuche. Jetzt isses raus.“

Am Freitag feierte das Theater der Jungen Welt mit Robinson-Mixsas Schatzinsel als Puppenspiel seine zweite Premiere der neuen Spielzeit und begeisterte damit Schatzsucher jeden Alters. Zugegeben: Der Anfang hinkte ein bisschen wie das Bein von Long John Silver. Man musste sich, wenn man die Stevenson´sche Fassung des Abenteuerromans nicht kennt, erst einmal zurechtfinden. Aber – Volle Kraft voraus! –spätestens, als Jim Hawkins mit seinem Freund und Vertrauten Doctor Livsey auf Kapitän Smollets Schiff den Schiffskoch Long John Silver trifft, hat man so viel Spaß, dass man einige inhaltliche Ungereimtheiten des Beginns vergisst.

Regisseur Jan Mixsa, den man sich übrigens selbst wunderbar neben Silver oder Kapitän Flint vorstellen könnte, verzichtet in seiner Neubearbeitung auf eine 1:1-Umsetzung des Romans. Nicht nur der berühmte Piratenpapagei musste dran glauben und wurde kurzerhand durch eine Ratte ersetzt, auch andere Figuren des Originals segneten das Zeitliche. Vermisst wurden sie nicht. Stattdessen überzeugen Mixsa und sein Team um die Spieler Violetta Czok, Johannes Everard und Wilfried Reach in der Erschaffung wunderbarer Charaktere und Figuren, die, jede für sich, besonders und einzigartig ist. Hier zeigte sich mal wieder die hohe Kunst des Puppenspiels, die, völlig unbegründet, ein jahrelanges Schattendasein in den Theatern unserer Lande führte und seit einiger Zeit wie Dornröschen aus dem Schlaf geweckt wird.

Die 3 Fragezeichen in Mixsas Schatzinsel: Ben Gun, Jim Hawkins und Kapitän Smollet.

Dem Aussehen der Figuren angepasst, fand jeder Spieler eine ihm eigene Stimme und charakterliche Eigenheit. Ein quengelnder Kapitän Smollet und ein nuschelnder Ben Gun mit seinem ganz persönlichen Freund Samstag bilden dabei die Spitze der Schatzinsel.

Das Bühnenbild, die Figuren und Kostüme sind voll und ganz dem Thema angepasst. Auch hier war das Spielzeitmotto Programm: Suchen. Finden konnte man so Einiges, was Vati und Mutti in Keller oder Küche aufbewahren. Haushaltsgegenstände wurden zweckentfremdet, vermeintlicher Müll zu neuem Glanz gebracht und aufpoliert. Es wäre nicht verwunderlich, wenn man beim nächsten Gang in die Küche sein Kind damit beschäftigt findet, den Metallschwamm, einem Bart gleich, mit Spaghetti am Suppentopf zu befestigen.

Anfängliche Bedenken, das Bühnenbild und die Puppen könnten zu sperrig sein, wurden schnell zu Nichte gemacht. Natürlich können Leitern Boote und Bäume sein; natürlich können Seile wie Lianen über ebenjenen wachsen; natürlich befindet sich der Schatz in einem großen Topf und ein Wäschekorb ist niemals besser als in seiner Funktion eines Ausgucks. Darüber muss man nicht diskutieren, das ist ganz einfach so. Man sei erinnert an die Zeit, in der man aus Stühlen und Decken Höhlen im Kinderzimmer baute.

Jim und die Schatzkarte im neuen Maßstab.

Auf einige Stellen, die für Verwirrungen sorgten, vor allem Liedteile wie „I just called to say I love you“ oder „Hallo mein Schatz, ich liebe dich“, hätte durchaus verzichtet werden können, sie bildeten auch für die Erwachsenen nicht „die großen Momente“. Das Spiel und die Figuren waren überzeugend genug!

Die Reise zur Premiere Schatzinsel wurde offenbar nicht nur von Regisseur und Spielern unternommen. Auf dem Weg zur Bühne waren viele spannende Objekte von Kindern der Premierengruppe Hort Garskestraße in Zusammenarbeit mit dem TdjW und Lena Kommisarova ausgestellt. Sie haben sich viele Gedanken gemacht, was ihre ganz persönlichen Schätze sind, und ihre eigenen Vorstellungen eines echten Piratenschiffes mit Schere, Papier und Leim in die Tat umgesetzt. Es empfiehlt sich sehr, sich diese anzuschauen! Findet jemand in nächster Zeit die eine oder andere Flaschenpost, könnte sie von einem der Kinder sein.

Das Theater der Jungen Welt hat mit dieser Inszenierung wieder einmal gezeigt, dass auch auf kleinen Bühnen großes Theater gemacht werden kann und wie gut und wichtig seine Existenz ist – und zwar für alle. Danke dafür.

Die Schatzinsel

Puppentheater nach Robert Louis Stevenson | Neubearbeitung von Jan Mixsa

Mit: Violetta Czok, Johannes Everard und Wilfried Reach

Premiere 11. Oktober 2013, Theater der Jungen Welt/Puppenbühne


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