Literarischer Rückblick

Bücher des vergangenen Jahres, die auch 2014 ihr Verfallsdatum nicht überschritten haben werden

Das Jahr war wie immer reich an Debüt-Romanen. Einige davon waren verzichtbar, ein paar davon annehmbar und lediglich ganz wenige überzeugend. Wirklich atemberaubend war aber vermutlich nur ein Debüt in diesem Jahr und zwar Das Fremde Meer von Katharina Hartwell (Berlin Verlag, 576 S., 22,99 €). Hartwell, momentan Studentin am Leipziger Literaturinstitut, entwirft nämlich in ihrem fast 600 Seiten starken Erstling mal so nebenher eine ganz eigene Poetik und variiert auf immer wieder erstaunliche wie irritierende Weise die gute alte Boy-Meets-Girl-Geschichte, als würde sie schon jahrzehntelang ihr Tagewerk am Schreibtisch verrichten. Dabei ist die Frau noch keine 30. Hier ist es wirklich angebracht zu sagen, dass man gespannt ist auf das, was da noch kommt.

Von einem bedeutend älteren Autor (im Mai wurde er 75), kam dieses Jahr ein Buch, das zwar keine eigene Poetik entworfen hat, dafür aber eine ganz eigenwillige Biographie. Urs Widmers Reise an den Rand des Universums (Diogenes, 346 S., 22,90 €) handelt nämlich nicht die ganzen rund 75 Jahre ab, die Widmer bis dato verlebt hat, sondern erzählt davon, was ihm den Weg zum Schriftstellerdasein geebnet hat. Beschrieben wird also ein junges wie reiches Leben, das von den Kontrasten der Schweizer Bergwelt und dem hohen literarisch-weltmännischen Besuch bei Urs Widmers Vater Walter (zum Beispiel Heinrich Böll, der öfter vorbeischaute) lebt. Wer sich danach noch weitergehend mit der Prosa von Urs Widmer auseinandersetzen möchte, der möge sich die im edlen Pappschuber erschienenen Gesammelten Erzählungen (ebenfalls Diogenes, 768 S., 29,90 €) besorgen. Schade übrigens, dass Reise an den Rand des Universums es nicht auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat und man der bräsigen, streberhaft avantgardistischen Klamotte von Daniel Kehlmann (F, Rowohlt, 384 S., 22,95 €) den Vorzug gab.

Wo wir gerade vom Buchpreis reden: Ebenfalls untergegangen – ja gar nicht erst auf der Longlist gelandet! – ist Andreas Maiers Die Straße (Suhrkamp, 193 S., 17,95 €). Dabei ist Maiers dritter Teil seiner Wetterau-Saga über das sexuelle Erwachen der Teenager in den 1970er Jahren im wilden Hessen ein sprachliches Abenteuer sowie eine kleine linguistische Untersuchung der Jugendzeitschrift Bravo. Denn woher sonst nahm man sich einst die Sprache für das, worauf man nur zeigen, was man aber nicht beschreiben konnte? Apropos Teenager: Ebenfalls ein wenig untergegangen ist dieses Jahr Joey Goebels Ich gegen Osborne (Diogenes, 430 S., 22,90 €). Goebels in den späten 1990er Jahren angesiedelter Roman über einen Jugendlichen mit – euphemistisch formuliert – spießigen Vorlieben, was Musik und Literatur anbelangt, zeigt über lange Strecken das ganze Können des Autors. Dem Roman hapert es leider nur ein wenig an psychologischer Raffinesse, er nimmt dafür aber den Wahnsinn des heutigen Teenager-Daseins grandios vorweg.

Wagen wir doch abschließend noch einen kurzen Ausblick: Die Vorschauen der Verlage für das Jahr Frühjahr 2014 stehen schon zur Ansicht bereit. Kaum ein anderer Kunstmarkt ist nun mal so sehr durch zwei große Messen strukturiert. Mit neuen Büchern von Siri Hustvedt, Fritz J. Raddatz, Sibylle Lewitscharoff, Marie Ndiaye, und A. M. Homes darf man sich auf jeden Fall auf ein paar Highlights im Frühjahr freuen, die hoffentlich in Leipzig zelebriert werden.

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