Bring Wein mit, wir müssen über Liebe reden

Die Performance „fragments amoureux“ in der Lofft-Werkstatt erlaubt intime Gespräche mit Fremden, (de-)konstruiert Liebe und bietet viel Diskussionsstoff

Foto: Thomas Puschmann

Ein Theaterraum mit schwarzem Boden: Werkstattbühne. Um ein paar runde Tische stehen Sitzgelegenheiten verteilt. Eine Bar gibt es auch. Nach und nach werden die TeilnehmerInnen der partizipativen Lecture-Performance hineingeführt und einander persönlich vorgestellt. Niemand weiß, wann und ob es schon losgeht. So beginnt der Abend bei der von Jonas Kowalski und Hanna Saur konzipierten Performance fragments amoureux im Lofft.

Jeder und jede erhält einen Liebesbrief. Langsam entspinnen sich die ersten Gespräche an den Tischen. Was steht in den Briefen der anderen? Es wird sich gegenseitig vorgelesen. Wer hat diese mal beiläufigen, mal kitschigen, mitunter traurigen Zeilen wohl geschrieben? Unversehens finden sich die Teilnehmenden in angeregten Diskussionen über den Wert von Liebesbriefen, die eigenen schönsten und schrecklichsten Beziehungserinnerungen wieder.

Eine Einladung zum Mitdenken, -diskutieren, -fühlen, zum Konstruieren und Dekonstruieren von Liebe, heißt es in der Ankündigung. „Wir wollen, genau wie Roland Barthes mit seinem Buch ‚Fragmente einer Sprache der Liebe‘, einen Diskurs über Liebe anregen“, erklärt Jonas Kowalski, Initiator der Werkstatt. Ein reger Austausch der Teilnehmenden findet an diesem Abend tatsächlich schnell statt: Über die persönlichen Vorstellungen von Liebesbeziehung, Erfahrungen, Enttäuschungen, Problematisches und Anekdoten der Liebe. Nur die eine, wie zufällig zu spät gekommene Person an jedem Tisch – sie ist Teil der Performancegruppe – wirkt für manche wie ein Fremdkörper. Die vier Performerinnen sollen durch teils provokante Nachfragen das Gespräch am Laufen halten, wenn nötig moderieren. Leider gelingt das nicht in jedem Fall, weil sich die an den Tischen bereits zügig gebildeten Gruppenkonstellationen gegen ein Eindringen von außen verwehren. Nach eineinhalb Stunden enden die von Cello und Klarinette begleiteten Diskussionsrunden mit einem Bruch: Die Performerinnen entfernen sich, Wein wird ausgeschenkt. Nun gibt es in der stilvoll inszenierten Kulisse, die beim Betreten wie eine gemütliche Kneipe wirkt, noch anderes zu entdecken: Ein Schattenspiel in der Wand, unterlegt mit einer Geschichte in verschiedenen Sprachen und ein paar Vorhänge, hinter denen weitere Überraschungen aufwarten. So neigt sich der Abend langsam seinem Ende zu.

Nach seinem Eindruck vom Funktionieren der Performances gefragt, äußert Ideengeber Kowalski: „Es war beeindruckend, wie offen die Leute über ihre sehr intimen Geschichten erzählt haben. Mir ging es vor allem darum, diese Vielfalt zu zeigen. Die Leute nehmen sehr oft an, dass die Bilder, die aus der Gesellschaft oder aus den Medien kommen, dass dies die allen gemeinsame Sprache der Liebe ist. Aber das ist ein Missverständnis, weil diese Bilder viel zu wenig komplex sind und gar nicht die individuellen Bedürfnisse und Wünsche von allen erfassen können.“

Das Fazit der Teilnehmenden wiederum rangiert auf einer Skala von begeistert bis ernüchtert: Während manche in dem geschaffenen Setting eine gute Gelegenheit sehen, um ins Gespräch zu kommen, können andere der Liebeswerkstatt nicht viel abgewinnen. „Außer, dass ich mit fremden Menschen über sehr persönliche Dinge gesprochen habe, ist an dem Abend nichts passiert. Wenn ich die Erwartung eines normalen Theaterabends gehabt hätte, wäre ich sicher enttäuscht gewesen“, resümiert eine Teilnehmerin. Eine andere Teilnehmerin wiederum kritisiert das Bild von Liebe, das in der Performance vermittelt wird. Besonders die Tatsache, dass alle Teilnehmenden Liebesbriefe bekommen, findet sie schwer verdaulich. „Damit wird eine sehr romantische Vorstellung von Liebe produziert. Einer normalen Beziehung entspricht das nicht.“ Angesprochen auf diese Kritik an der Konzeption lenkt Kowalski ein: „Das ist ein guter Punkt. Wahrscheinlich haben wir hier eine Norm gesetzt, die früher auch mal Norm war, aber schon wieder vergessen ist.“ So ganz kann er den Vorwurf aber dann doch nicht auf sich sitzen lassen. „Liebesbriefe sind eine Art von Kommunikation – und das war ja ein Anliegen des ganzen Projekts: Für mehr Kommunikation zwischen den Menschen, die einander lieben, Werbung zu machen.“

Was bleibt, ist im Mindesten ein unerwarteter Abend mit unterschiedlichsten Ideen, interessanten Gesprächen und vielen neu aufgeworfenen Fragen zu einem alten Thema. In einem Katalog will die Performancegruppe Fragen sammeln, die von den Teilnehmenden an die Liebe gestellt wurden. Weiter mit den Gesprächen und Diskussionen über Liebe geht es im Mai.

Fragments Amoureux – Lofft

Compli-Cité

Werkstatt, Premiere: 3. März 2014


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