„Ein neuer Lärm des Jubels und der Freude“

Preis der Leipziger Buchmesse im Bereich Belletristik: die Nominierten und der Gewinner

Saša Stanišić, Gewinner des Preises der Leipziger Buchmesse für Beletristik, freut sich mit seiner Freundin über die Auszeichnung. (Foto: Leipziger Messe GmbH / Uli Koch)

Vor kurzem erst wurde bei der Leipziger Buchmesse mal wieder der Besucherrekord vom Vorjahr gebrochen. Bereits seit dem 17. Jahrhundert wird die Leipziger Buchmesse veranstaltet. Der „Preis der Leipziger Buchmesse“ wird dagegen erst seit zehn Jahren vergeben. Dieses Jahr nun also das Jubiläum für die Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung. Für jede Kategorie werden fünf Autoren bzw. Übersetzer nominiert. Die beliebteste und bekannteste Kategorie für den von der Stadt Leipzig geförderten Preis ist natürlich die Belletristik. So waren auch die Plätze voll belegt, als Ursula März (Autorin bei der ZEIT) und Daniela Strigl (Redakteurin bei der FAZ) die Nominierten vorstellten. Deshalb erfolgt hier ein näherer Blick auf die fünf Nominierten im Bereich Belletristik und deren Preisverleihung.

Dieses Jahr befassten sich alle nominierten Bücher mit Geschichte. Der Autor Fabian Hischmann, 1983 geboren und damit der jüngste in der Runde, erzählt die Geschichte des Lehrers Max Flieger, der die Geister der Vergangenheit trifft. Zu Beginn des Debütromans Am Ende schmeißen wir mit Gold klebt der Lehrer noch auf der Couch und sieht sich Tierdokus im Fernsehen an. Im Laufe der Erzählung verarbeitet Max Flieger erneut den Tod seiner beiden Eltern, der ihn in einen Schockzustand versetzt hatte. Diese Rückbezüge auf Vergangenes lassen ihn am Ende des Romans begreifen, dass es ihm im Grunde darum geht – worum es auch dem Autor gegangen ist –, nicht allein zu sein.

Der promovierte Historiker Per Leo versucht ebenfalls, wie die Figur Hischmanns, durch Rückblicke Vergangenes aufzuarbeiten. Er setzt sich mit seinem Naziopa auseinander und versucht ihn besser kennenzulernen, was er zu dessen Lebzeiten nicht geschafft hatte. Flut und Boden stellt ein Doppelportrait dar. Es wird von einem ungleichen Geschwisterpaar erzählt, dem Naziopa und dessen anthroposophischen Bruder. Per Leo stellt damit einen Roman über eine zweipolige deutsche Geschichte vor.

Gewinner Saša Stanišić

Über eine topografisch und kulturell an zwei verschiedenen Orten spielende Erzählung berichtet der bereits oft ausgezeichnete und deutschlandweit bekannte Gesellschaftsromancier Martin Mosebach. Die Putzfrau Ivana arbeitet in Deutschland. Während sie auf dem titelgebenden Blutbuchenfest Gäste bedient, bricht in ihrem Heimatland Bosnien 1991 der Krieg aus. Es ist ein Buch, in dem man mit offenen Augen träumt – wie der Autor selbst verrät. Ivana ist dabei die Verbindung zwischen der deutschen und der bosnischen Kultur.

Die letzten beiden Nominierten haben ebenfalls, wie Ivana, ihr Heimatland verlassen. Katja Petrowskaja wurde 1970 in der Ukraine geboren und lebt seit 15 Jahren in Deutschland und Saša Stanišić, Jahrgang 1978, kam mit 14 als bosnischer Kriegsflüchtiger hier her. Die nominierten Bücher der beiden unterscheiden sich jedoch sehr. Petrowskaja erzählt in kleinen Geschichten von ihrer Familiengeschichte und Stanišić von einem Dorf in der Uckermark. Vielleicht Esther gibt die Suche der Autorin nach Spuren von ihren Vorfahren wieder. Diese waren jüdischen Glaubens und wurden auf ganz Europa zerstreut. Somit spiegelt sich der zerstreute Charakter der Familie ebenfalls in der Form ihrer Erzählung wieder. Die Geschichte Vor dem Fest von Stanišić berichtet ebenfalls von mehreren Begebenheiten, die sich aber in einem Dorf kurz vor dem Dorffest abspielen. Mit diesem Roman wollte der Autor sich ein eigenes Dorf schaffen, inklusive der Menschen und dessen Mythologie. Eine Mythologie, die der eigenen in der alten wie der neuen Heimat gleicht. Somit hat er eine Linie zwischen Deutschland und Bosnien gezogen, die einige Fragen aufwirft, die er sich auch selbst stellt.

Zu Beginn der Preisverleihung, nach einem Rückblick auf die Gewinner des Vorjahres, wurden Dankesreden gehalten und über Literatur reflektiert. Literatur sei nicht leise, sondern laut. Die insgesamt 15 Nominierten sprächen laut, deutlich und schön gegen die These eines neuen Quietismus. Dies sei „Ein neuer Lärm des Jubels und der Freude“. Nachdem zuerst die Gewinner in den Bereichen Übersetzung und Sachbuch/ Essayistik bekannt gegeben worden waren, durfte Saša Stanišić jubeln vor Freude. Er ist der diesjährige Gewinner der 15.000 Euro. Und auch das Publikum scheint sehr zufrieden mit dieser Wahl zu sein, denn es wird laut applaudiert und gejohlt. Stanišić betritt die Bühne – er hatte, um überrascht wirken zu können, keine Rede vorbereitet. Dennoch sagt er, dass er sehr überrascht und sehr froh ist, der Gewinner zu sein. Er bedankt sich herzlich bei seinem Verlags-Team und für die Unterstützung von seiner Freundin. Bereits vor vier Jahren hatte Stanišić begonnen, sich mit der Uckermark zu beschäftigen, wusste er am Anfang noch recht wenig über diesen Landstrich und die Menschen, die dort lebten. Nun spricht er im Buch von einem „wir“ und denkt oft, dass er bei diesem „wir“ auch sich selbst einschließt. In einem Jahr, im März 2015, werden die neuen Gewinner gekürt.

Preis der Leipziger Buchmesse 2014

www.preis-der-leipziger-buchmesse.de

Ein Kommentar anzeigen

  1. Es sei übrigens darauf hingewiesen, dass in der Sparte Belletristik Stanisic der einzig würdige Gewinner gewesen wäre und nun auch ist. Hätte Hischmanns komplett unreifes wie vergurktes Büchlein gewonnen (Rezension dazu in Bälde), hätte ich diesen Preis wohl kaum jemals wieder ernst nehmen können.

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