Randgebiete

Forest Swords im UT Connewitz – oder: Bewegung an den Grenzen des Tanzbaren

Tanz war kein neues Thema für Matthew Barnes, dem jungen Produzenten aus Liverpool, der hinter Forest Swords steckt, als er im UT Connewitz die Bühne betrat. Der Auftritt in Leipzig bot ihm Gelegenheit, die Beziehung seiner Musik zur Bewegung live auszuloten. Mit Rosa Traoubi und Lillian Mosquera war es dem UT kurzfristig gelungen, zwei Tänzerinnen einzuladen, die als allererste einen Forest Swords-Auftritt live begleiteten.

Barnes hatte zuvor schon mehrfach mit Tänzern gearbeitet, jedoch nicht im Rahmen eines Konzertes. Zu seinem Stück “Thor’s Stone” erschien 2013 ein so düsteres wie schönes Video mit dem spanischen Tänzer Guzman Rosado. Auch dieser Clip befasste sich mit den Grenzen zwischen Bewegung und Tanz – aus schmerzvollem Zucken und Krampfen eines am Boden liegenden Mannes wurde in nahtlosem Übergang eine Choreographie. Auch zu “The Weight Of Gold” veröffentlichte Barnes kürzlich ein Tanzvideo, in diesem Fall mit Billy Barry.

Die Grenzen des Tanzbaren, die zwischen den feinsinnig versponnenen Teilchen seiner elektronischen Kompositionen durchschimmern, erörterten sich zunächst im stummen Dialog mit dem Publikum. Dieses fand in keinem Moment zu einer einheitliche Bewegungsdynamik – manche wogten mit den großen Schwüngen in der Musik, andere standen angewurzelt wie in Trance, wieder andere warfen sich wild hin und her, während dazwischen mancher kaum nachvollziehbar zwischen den Tönen zu einem Rhythmus trippelte, der sich nur für die eigenen Ohren ergab. Rhythmik entsteht in Barnes Stücken nicht durch aufoktroyierte Percussion, sondern vielmehr zwischen den sehr eigenständigen Schichten und Elementen, die Einflüsse aus Dub, R’n’B oder Trip Hop unauffällig mit Gitarrenspiel verweben. Geradlinigkeit passiert dabei selten über lange Strecken, stattdessen entsteht ein dynamisches Gesamtbild im Sinne des Ambient, das auf viele Weisen immer neu hörbar ist.

Forest Swords versteckt sich nicht auf der Bühne, braucht keine Maskerade und kein Kostüm. Dennoch drängt sich Barnes in keiner Weise in den Vordergrund. Der optische Leitfaden durch das Konzert bestand zunächst aus Visuals – auch hier war das Thema Tanz. Manches stammte aus Filmen von Maya Deren, zum Beispiel ihrem Werk “The Very End of the Night”. Die gezeigten Bewegungen waren hier schlicht und repetitiv, eher an das klassische Ballet angelehnt, und fungierten als eine Art rhythmische Anzeigetafel. So vermochten sie zwar durch die Stücke zu führen und strukturierten die vielschichtigen Kompositionen, was für manchen den Zugang sicher erleichterte und zum tanzen inspirierte, konnten gleichzeitig aber auch von der Diversität der Rhythmen und Ebenen in den Stücken ablenken.

Zum großen Finale des Konzerts tauchten der Bühne entgegengesetzt auf einem langen Podest inmitten des Publikums die Tänzerinnen auf. Nach und nach drehten sich Köpfe und Körper, bemerkten in ihrer Versunkenheit das Spektakel. Rosa Traoubi und Lillian Mosquera überwanden im Ausdruckstanz das Statische der Visuals. Ihr Tanz wurde zur Körperlichkeit der Musik, ihre Gesten und Bewegungen folgten ihr jenseits von Schemen völlig frei. Besonders spannend war, die Performance als Übersetzung des Gehörten in Bewegung zu betrachten, sozusagen als eine direkte Verkörperung der Musik. So entstand ein Medium, das es erlaubte, nachzuvollziehen, was ein anderer in denselben Klängen erkannte – eine Möglichkeit, die sich nicht häufig bietet.

Zwar verschmolz auch hier das triphafte, fliegende Erleben der Stücke nicht ganz mit den visuellen Eindrücken und vermochte die Konzentration durchaus zu fordern, dennoch war die Schlussszene eine gelungene, außergewöhnliche.

Forest Swords ließ Musik auf vielen Ebenen physisch werden. Wo visuelle und auditive Wahrnehmung verschmolzen, blieb es nicht nur beim Ausloten der Grenzen. Dort vermochte das Erlebnis sie zu verwischen, flossen Musik und Performance, Film und Tanz nahtlos ineinander – in eine ungewöhnliche Szene des Pop.

Forest Swords

UT Connewitz, 4. März 2014


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