Wie die Hyänen

Großes Schauspieler-Kino: „Im August in Osage County“ zeigt mit einem eindrucksvollen Ensemble Einblicke in eine zerrüttete Familie

In der bitteren Komödie „Im August in Osage County“ kommt eine Familie zusammen ― und damit beginnen die Probleme (Fotos: Ascot Elite)

Irgendwo in Osage County, Oklahoma, steht fast verlassen ein riesiges Haus, voll gestopft mit alten Möbeln. Eine drückende Hitze wabert durch die Räume, alle Fenster sind geschlossen und die Vorhänge sorgfältig zugezogen. Hier begegnen wir der Weston-Familie, hier werden wir die meiste Zeit des Films verbringen.

„Das Leben ist lang.“ So sieht es nicht nur T.S. Eliot, sondern auch der melancholische Poet Beverly Weston (Sam Shepard), der uns in den Weston-Clan einführt. Nachdem er auf rätselhafte Weise ums Leben kommt, versammelt sich die ganze Familie im Weston-Haus. Violet (Meryl Streep), vom Krebs und jahrelangen Medikamentenmissbrauch gezeichnet, hat für jeden Besucher eine gehörige Portion Anschuldigungen und Beleidigungen parat. Ihre drei Töchter samt Anhang, die selbst so einiges in ihrem Leben auskämpfen müssen, versuchen darauf gelassen zu reagieren. Doch vor allem Barbara (Julia Roberts) gelingt dies meist nicht. Aber auch der Rest der Bande verschont sich nicht (gespielt u.a. von Ewan McGregor, Benedict Cumberbatch, Juliette Lewis). Hinter jeder Ecke lauert ein neues Familiengeheimnis, eine neue Ungeheuerlichkeit, die gelüftet werden muss. Der eigentliche Grund des Zusammentreffens ist bald vergessen, wie Hyänen fallen die Familienmitglieder übereinander her und zerfleischen sich.

Meryl Streep (links) als Violet kann am 2. März schon wieder auf einen Oscar hoffen

Die Kamera ist immer dabei, es wird draufgehalten, bis es schon fast wehtut. Und obwohl es sich hier nicht um ein Kammerstück im klassischen Sinne handelt, ist die Klaustrophobie in jeder Szene spürbar. Tracy Letts, der das gleichnamige Theaterstück geschrieben hat, das auf dem Broadway Erfolge feiern konnte, zeichnet auch für die Drehbuch-Adaption verantwortlich. Und welche Figuren er hier kreiert hat! Jede einzelne bringt ihre eigene Geschichte mit. Und ohne diese umständlich auszuwalzen, schafft er es jede Figur mit Leben zu füllen, sie authentisch zu machen. Die Dialoge sind messerscharf und brilliant geschrieben, sodass es einem ins Mark fährt. Besonders bemerkenswert ist außerdem, dass Letts die Abgründe auch immer wieder mit schreiend komischen Versatzstücken spickt. So wird beim Leichenschmaus auf sehr unterhaltsame Weise der Vegetarismus von Barbaras Tochter Jean ins Visier genommen.

Letts Drehbuch ist ein Geschenk an die Schauspielerzunft. Regisseur John Wells schafft es zudem ausschließlich namhafte Mimen vor seine Kamera zu bringen. Allen voran natürlich Meryl Streep, die mit ihrer Darstellung der Violet nun schon zum 18. Mal für den Oscar nominiert ist. Neben ihr brilliert Julia Roberts als Barbara, die ebenfalls nominiert ist. Roberts geht dabei ganz in ihrer Rolle auf und zeigt eine Aggressivität und Verletzlichkeit, die sie bisher vielleicht nur in Closer (2004) von Mike Nichols ausleben durfte. Nichols war es auch, der 1966 mit Wer hat Angst vor Virginia Woolf (mit Elizabeth Taylor und Richard Burton) eine ebenso beeindruckende Sezierung des menschlichen Miteinanders vollführte, an die man beim Schauen unweigerlich immer mal wieder denken muss. Reminiszenzen finden sich im Film des Öfteren. Sei es die Perücke von Violet oder die Aussage: „The only person who’s pretty enough not to wear makeup is Elizabeth Taylor — and she wears a ton!” Wells‘ Film ist mit seinen zahlreichen Figuren breiter aufgestellt, beeindruckt aber ebenso wie der Klassiker.

Im August in Osage County verschont den Zuschauer nicht, belohnt ihn aber mit einer großartigen Geschichte, die packend erzählt ist und wunderbare Schauspielleistungen bietet. Sehenswert!

Im August in Osage County

USA 2013

Regie: John Wells; Darsteller: Meryl Streep, Julia Roberts, Ewan McGregor, Benedict Cumberbatch, Juliette Lewis, Sam Shepard, Chris Cooper u.v.a.

Kinostart: 6. März 2014


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