Kluge Regie rettet allzu theoretische Musiktheaterkonzeption

Dieter Schnebel hat sich ohne Frage große Verdienste um das Musiktheater erworben. Seine in Berlin aufgeführte Oper „Utopien“ ist jedoch ein Beispiel dafür, wie Komponisten nicht mit dem Publikum umgehen sollten. Umso verdienstvoller ist die Regie

Sarah Maria Sun (Foto: Adrienne Meister)

Dieter Schnebel und sein Dramaturg Roland Quitt haben viele Jahre lang über dem Libretto gebrütet. Für ihre Oper „Utopien“ wurden Texte von René Descartes, Octavio Paz und Joseph Conrad zu einem musikalischen Kammertheater zusammengebacken. Zehn Teile: eine Einleitung, hier kommt auch Ernst Bloch zu Wort, dann die Gänge I-V, Hölderlin ist hier eingeflochten, und vier Zwischenspiele mit Teilen aus dem Johannes-Evangelium bilden die Struktur des Stückes. Texte also von Philosophen, Dichtern und aus der Bibel, doch herausgekommen ist eine undramatische Aneinanderreihung von mehr oder weniger schlauen Sprüchen und Zitaten: „Die Ermöglichung des Unmöglichen, das auch als Ermöglichtes unmöglich bleibt.“ (Martin Walser).

Die Musik irrlichtert zwischen den teils gesprochenen zum großen Teil gesungenen Texten. Bassklarinette, Violine, Violoncello, Akkordeon und Schlagzeug − die ungewöhnliche Besetzung erzeugt ein leichtes Grundrauschen. Sehr schön, wie die Spannungsbögen zwischen den horizontalen und vertikalen Instrumenten ausgelotet werden, fabelhaft die Choreografie der Instrumente. Doch es bleibt in Einzelaktionen stecken, so wie im Libretto, wo ein kluger Text den nächsten schlägt.

Matthias Rebstock, Regie, und Sabine Hilscher, Ausstattung, haben sich auf einen Höllenritt eingelassen: Wie etwas inszenieren, was gar nicht inszeniert werden kann, ja, werden will? Rebstock und Hilscher haben eine Box mitten auf die Bühne gestellt, vor die Kammermusiker. Die Box ist mit Vorhängen drapiert, welche verhüllen, neugierig machen und verblüffenden Aktionen Raum geben. Die Mitglieder der Neuen Vocalsolisten Stuttgart werden auf einen Parcours geschickt. Beeindruckend, wie sie ohne die ordnende Hand eines Dirigenten im Laufschritt über die Bühnen jagend synchron die Partitur umsetzen, auch schauspielerisch leisten sie Erstaunliches.

Nach 75 Minuten ist der Spaß vorbei. Etwas ratlos bleibt man zurück. Eine Klassifizierung? Kaum möglich. Der bleibende Eindruck? Eine kluge Regie! Denn Matthias Rebstock gelingt es, eine allzu theoretische Musiktheaterkonzeption doch noch auf die Bühnen zu bringen.

Utopien

Oper von Dieter Schnebel

Auftragswerk Konzerthaus Berlin

29. Mai 2014, Konzerthaus Berlin


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