Lieb mich ganz normal

Simone Neubauers Stückentwicklung mit SchülerInnen gibt auf die Frage nach der Liebe nur klassische Antworten

Fotos: Frank Schletter

Auf den T-Shirts prangt ein großes „I love“. Das „love“ ersetzt durch ein überdimensionales rotes Herz. Den etwa ein Dutzend SchülerInnen des Leibniz Gymnasiums ist ihre Aufregung anzumerken, als sie das von ihnen gemeinsam mit einer Theaterpädagogin des TdJW entwickelte Stück präsentieren. Jedoch: Mutig stellen sie sich Eltern, Geschwistern und sonstigen ZuschauerInnen an diesem Sonntagabend. Sinniert wird über Liebe: Über Hoffnungen und Erwartungen, über Spielerei und Streit, über die unerfüllte, die enttäuschte und die ganz große Liebe.

Der Kern des Stücks mit dem auffordernden Titel Lieb mich! ist die Geschichte vom Sommernachtstraum: Die schöne Hermia und ihr Liebster, Lysander, sind unzertrennlich. Weil Hermias Vater aber jene Verbindung nicht billigt, wollen die beiden in den Wald fliehen. Verfolgt werden sie von Demetrius, der Hermia ebenfalls liebt, und von Helena, deren Herz wiederum an Demetrius hängt. Die Geschichte um die Irrungen und Wirrungen der verliebten Freunde bildet den roten Faden der Aufführung. Vor, nach und zwischen den Shakespeare‘schen Szenen finden kleine Reflexionen über die Liebe statt: Wir sehen Trennungsszenen, eine verlassene junge Frau auf der verzweifelten Suche nach ihrem Freund, einen fehlgeschlagenen Speed-Dating-Versuch, eine nur sich selbst Liebende mit Spiegel in der Hand und dergleichen mehr. Als die Reise der vier jungen Liebenden aus Athen fortgesetzt wird, begegnet uns der Elfe Puck in einer amüsanten Rolle: Auf zwei Jugendliche aufgeteilt, kann hier noch mehr Schabernack betrieben werden als ohnehin vorgesehen. Auch wenn einer der Pucks die Technik mal eben um grünes Licht bittet, um eine überzeugende Waldszenerie zu erzeugen, wird klar, dass sich die Inszenierung selbst nicht zu ernst nimmt.

Die Abwechslung von klassischem Stoff und experimentelleren Szenen ist zu großen Teilen lustig, spannend und tragisch mit anzusehen. Spätestens in dem Moment aber, als alle weiblichen Mitspielerinnen heulend und schluchzend die Bühne betreten, um den Boden innerhalb kürzester Zeit schließlich ganz mit ihren Körpern und Hunderten verschnupfter Taschentücher zu bedecken, muss sich bei jeder kritischen Theaterbesucherin Unmut regen. Warum weinen denn hier nur die Mädchen? Haben Jungs etwa keinen Liebeskummer? Die Frage, ob es wirklich notwendig ist, das Bild der schwachen, verlassenen und um ihren Liebsten trauernden Frau hier noch ein weiteres Mal zu konstruieren, ist überflüssig. Auch das Schlussbild der Inszenierung ist enttäuschend. Nach einer turbulenten Suche haben sich alle zu einem glücklichen Ende versammelt. Neben Lysander und Hermia, Helena und Demetrius finden sich noch einige weitere Paare zusammen und lassen sich friedlich zu zweit an je einer Stelle der Bühne nieder. Alle Pärchen sind klassisch aufgeteilt: weiblich-männlich. Von gleichgeschlechtlichen Paaren oder sonstigen Brüchen des Ideals der romantischen Zweierbeziehung keine Spur. Sollte es nicht Aufgabe der Theaterpädagogik sein, vorgegebene Antworten zu hinterfragen und mögliche Alternativen zumindest aufzuzeigen?

Als kleinen Kommentar auf der Meta-Ebene kann höchstens die Rolle einer der Mitspielerinnen verstanden werden: Im Finale des Stücks stürzt sie sich vor lauter Verzweiflung über das Happy End in den Tabletten-Suizid. Eine kritischere Herangehensweise an das Thema Liebe wäre – bei der Arbeit mit Jugendlichen wie überall sonst – erwünscht gewesen.

Lieb mich!

Spielleitung: Simone Neubauer

Kooperation mit dem Leibniz Gymnasium Leipzig

Theater der Jungen Welt; Premiere: 18. Mai 2014


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