Schreiben-Wischer

Kommt mit dem Touchpad das Ende der Schreibmaschinentastatur? Eine Studie untersucht den Unterschied zwischen Schreiben und Streichen

Schreibkugel ist ein Ding gleich mir – von Eisen und doch leicht zu verdrehn zumal auf Reisen.
Geduld und Takt muss reichlich man besitzen und feine Fingerchen, uns zu benützen.

Nietzsche

Da hat die Schreibmaschine runden Geburtstag – vor 300 Jahren ereignete sich die erste Patenanmeldung für einen solchen Schreibapparat – und pünktlich hat sich mit dem Wischen eine neue Technik daran gemacht, die gute alte QWERTZ-Tastatur zu ersetzen. Mit Swype & Co. sind Systeme angetreten, das Tippen durch kontinuierliche Bewegungen über Tastaturfelder zu ersetzen. Das soll schneller sein und irgendwie intuitiver. Ein „gestisches Schreiben“, wie es genannt wird, ist es dabei nicht – oder Schreiben ist mit Vilém Flusser immer Geste, egal ob mit dem jungen Ding Füller (130 Jahre), via Tastatur oder eben Wischen.

Den Unterschied zwischen Schreiben und Wischen untersucht nun ein Buch. Es ist eine belesene Lektüre über Ersteres. Über das Neue – wenn es denn das ist – beim Wischen erfährt man fast nichts: „Das ‚wischende‘ Schreiben schmückt sich mit dem Anschein, der unerlässlich ist, um seine Bewegung zu erwecken: es versucht, deren Ausrichtung auf ein Ziel hin zu imitieren. In diesem Verständnis operiert es in einer Als-ob-Logik: Die Buchstaben werden geschrieben, als ob sie getippt wären. Sie sind jedoch gewischt. Das ist er, der Clou des ‚bewegten‘ Schreibens, der den Körper ins virtuelle Gehäuse des Mediums sperrt.“ Und: „In- und Output von Wischen und Schreiben sind mithin Mediengewohnheiten, die sich tendenziell weiter ausbreiten, und diese Techniken sind derart prominent, dass sich die Möglichkeiten des Schreibens immer weiter an der diesen Medien eigenen Potentialen orientieren.“

Das Wischen wird das Tippen wohl also nicht ersetzen, aber ergänzen. Das ist nicht überraschend, zumal selbst Entwickler solcher Programme drei verschiedene Eingabetypen unter den Nutzern ausgemacht haben, von denen nur einer ein Wischer ist. So hat das Buch letztlich früh in ein neues Feld hineingestochen und ist erste Schritte gegangen, aber das Wischen ist damit nicht ausgelotet. Vielmehr eignet es sich als Überblick in die Theorien von Schreiben und Schreibdesign – sofern man nicht Sandro Zanettis Grundlagentextsammlung Schreiben als Kulturtechnik kennt.

Dass die Schreibmaschine als Textverarbeitungstechnologie nicht so schnell den Geist aufgegeben wird, hat denn Till A. Heilmann in Textverarbeitung vor einigen Jahren schön herausgearbeitet: „Weder die Elektrifizierung der Schreibmaschine noch ihre telegrafische Anbindung an Großrechner in den frühen Textterminals, weder die räumliche Verteilung des Schriftverkehrs in Time-Sharing-Systemen noch seine örtliche Verdichtung im Personal Computer, weder die Simulation von Papier auf Kathodenstrahlröhren oder Flüssigkeitsdisplays noch die Mobilisierung des Schreibgeräts durch Reiseschreibmaschinen und Notebooks haben das grundlegende Schema aus Tastenfeld und Schreibfläche wesentlich verändert.“

Oliver Ruf: Wischen & Schreiben

Kadmos Verlag

Berlin 2014

163 S. – 19,90 Euro


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