Revolte ohne Funke

Ken Loach vermag mit seinem neuen Film „Jimmy‘s Hall“ an seine früheren Erfolge nicht anzuknüpfen

Altbackene Geschichte und blasse Figuren: „Jimmy’s Hall“ hat seinen Platz beim diesjährigen Filmfestival von Cannes nicht verdient (Fotos: filmcoopi)

Jedes Jahr geht das Lamento in den Feuilletons von vorne los: In den Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes werden zu viele alte Männer eingeladen, die nur noch mäßiges Kino machen und aufgrund ihrer Verdienste um die Filmkunst eingeladen werden.

Der diesjährige Wettbewerb war da sicherlich keine Ausnahme, auch wenn Lichtblicke wie der junge franko-kanadische Filmemacher Xavier Dolan Mut zur Hoffnung machten. Auch 2014 standen auf der Anwärterliste für die Goldene Palme vertraute Namen wie Jean-Luc Godard, Mike Leigh oder eben Ken Loach.

Mit seinem neuesten Werk Jimmy’s Hall war der 78-jährige Loach in den Wettbewerb des renommiertesten europäischen Filmfestivals eingeladen. Sicherlich auch, um ihm zum Abschied mit seinem letzten Film noch einmal die Ehre zu erweisen. Das kann man machen, muss man aber nicht, weil mit Jimmy’s Hall ein eher schwächeres Loach-Werk vorliegt.

Immerhin bleibt sich der Altmeister in der Wahl seiner Geschichte und Protagonisten treu. Angesiedelt im Irland von 1932, begleitet er wie schon so oft in seinen Vorgängerfilmen (u.a. dem fabelhaften Looking for Eric) die Helden der Arbeiterklasse. Jimmy Gralton, der nach dem Tod seines Bruders wieder in sein Heimatdorf zurückkehrt, findet ein Land vor, das immer noch von den reichen Landbesitzern unterdrückt wird. Zehn Jahre zuvor war er nach Amerika emigriert, da seine politischen Aktivitäten ein Dorn im Auge der Obrigkeit waren. Mit neuen Ideen von einem freien Land, wie er es in Amerika erlebt hat, kehrt er zurück. So dauert es auch nicht lange, bis er die alte Tanzhalle wieder zu neuem Leben erweckt. Dieser Ort war und ist nicht nur ein Vergnügungsort, sondern auch ein Kulturzentrum für die mittellosen Iren. Damit wird die Tanzhalle zu einer Stätte der irischen Selbstbestimmung gegenüber den reichen Landbesitzern und den Briten, denen das Land nach dem Unabhängigkeitskrieg 1919-21 unterworfen bleibt.

Die böse herrschende Klasse (hier in Gestalt des katholischen Priesters) kontra der guten mittellosen Unterschicht: Regisseur Ken Loach malt zu sehr in Schwarz-Weiß

Das gefällt natürlich der herrschenden Klasse ganz und gar nicht. Besonders der katholische Priester des Ortes stellt sich gegen Jimmys Tanzhalle, und ein erbitterter Kampf beginnt. Dabei ergreift der Film ganz klar Partei, und es ist zu keiner Zeit ein Geheimnis, auf welcher Seite Loach steht.

Etwas altbacken wirkt das Ganze dann schon, und ein richtiger Funke der Revolte will nicht überspringen. Nicht nur die klare Rollenverteilung (arm=gut und im Recht/reich=böse) und Parteinahme machen es für den Zuschauer schwer mit Enthusiasmus bei der Stange zu bleiben. Auch für die Figuren kann Loach kein tiefergehendes Interesse aufbauen. Das ist besonders bei Jimmy Gralton fatal. Auf ihn ist schließlich die ganze Idee des Films aufgebaut. Und obwohl Barry Ward als Jimmy grundsätzlich charmant aufspielt, bleibt seine Figur blass und distanziert.

Wie von Ken Loach nicht anders zu erwarten war, ist der Erzählstil klassisch gehalten. In seinen meisten anderen Filmen funktioniert dies auch bestens und ist ein großer Pluspunkt seiner Werke. Wenn aber weder die Geschichte richtig packt noch die Figuren mitreißen, dann ist auch das solideste Handwerk verlorene Liebesmüh. Letztlich bringen nur die Tanzszenen Leben auf die Leinwand und machen richtig Spaß.

Man kann die unaufgeregt erzählte Geschichte um Jimmy Gralton für vieles mögen. Sie beinhaltet viele Motive, die Loachs Werk auszeichneten. Zudem hat sie das Herz auf jeden Fall am richtigen Fleck. Trotzdem ist es höchste Zeit den Wettbewerb von Cannes mit innovativeren Filmemachern zu bestücken und so neuen Talenten den Weg frei zu machen. Denn was nützt es, immer nur Altbekanntes zu fördern und zu loben, wo es doch so viele gute Filmemacher gibt?

Jimmy’s Hall

Großbritannien/Irland/Frankreich 2014, 106 Minuten

Regie: Ken Loach

Darsteller: Barry Ward, Simone Kirby, Andrew Scott

Kinostart: 14. August 2014


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