Das TdJW bringt Stanislaw Lems „Futurologischen Kongress“ auf die Bühne
Die Welt krankt. Sie leidet an massiver Überbevölkerung und steht kurz vor dem Kollaps. Abhilfe soll nun ein Team von Wissenschaftlern und Futurologen schaffen, die sich zum 8. Futurologischen Kongress auf der Erde einfinden. Auch der berühmte Raumfahrer Ijon Tichy nimmt Teil und berichtet von den Geschehnissen. So die Rahmenhandlung von Stanislaw Lems „Der futurologische Kongress“ aus dem Jahr 1972. Der polnische Autor gilt als wichtige Größe in der Science-Fiction-Szene, und auch die Figur der Ijon Tichy ist durch Lems Traumtagebücher keine Unbekannte. In einem Cross-Over von Schauspiel und Puppentheater macht sich das Theater der Jungen Welt unter Regie von Christian Georg Fuchs nun an den Stoff. Die Koproduktion mit der Moritzbastei feierte dort im Rahmen der Lachmesse Premiere.
Einfache, schmucklose Plastikwände bilden die Kulisse der Inszenierung. Fenster in den Wänden erinnern an eine Puppenbühne, und Puppen sind es auch, die hier zum Einsatz kommen. Lems Roman wird in der Bühnenumsetzung auf drei Figuren reduziert: Ijon Tichy, Professor Trottelreiner und die Moderatorin Georgia Symington. Letztere wurde für das Stück hinzuerfunden, um einen Erzählstang zu schaffen. Ist Lems Roman ausschließlich in der Ich-Erzählform geschrieben, so schafft es die Inszenierung durch den Einsatz einer Fernsehmoderatorin, diese Form aufzubrechen und lange Monologe zu umgehen. Wenngleich die überdrehte Art Symingtons dem Zuschauer schnell zu viel werden kann, ist die Figur der Handlung doch zuträglich.
Damit die Kongressteilnehmer besonders fruchtbar diskutieren könnten, findet der Kongress in der Stadt Nounas in Costricana statt. Das ganze Land ist gebeutelt von Korruption, die Militärregierung schreckt nicht davor zurück, chemische Kampfstoffe gegen die Bevölkerung einzusetzen. Während es unten auf den Straßen zu erbitterten Kämpfen kommt, tagt man im 106. Stock des Hilton. Erst zu spät bemerkt Tichy, dass sich auch im Trinkwasser Chemikalien befinden, sogenannte Begütigungsmittel. Als die Wissenschaftler und Tichy schließlich ebenfalls in die Kämpfe verwickelt werden und in die Kanalisation flüchten müssen, beginnt ein psychedelischer Trip voller Halluzinationen, bei dem Tichy und der Professor schwer verletzt werden. Die anschließende Kälteschlafphase, die eine Zeitreise mit sich bringt, versetzt die beiden in eine dystopische Zukunft.
Durch den Einsatz von Kameras und die Nutzung des gesamten Raums schafft es Regisseur Fuchs, die vielen Ebenen der Geschichte darzustellen. Wirklichkeit und Fiktion sind für den Zuschauer oft genauso schwer zu unterscheiden, wie für die Figuren selbst. Als sich die Puppenspieler dann noch ihrer schwarzen Sonnenbrillen und Mützen entledigen, hinter denen sie sich bisher gut verstecken konnten, vermischen sich die Ebenen der Erzählung vollständig. Plötzlich stehen die Puppen in Fleisch und Blut auf der Bühne. Diese nämlich sind den Schauspielern optisch bis ins kleinste Detail nachempfunden. Mit Kniffen wie diesem schafft es die Inszenierung, dem surrealen Erzählkonstrukt des Romans gerecht zu werden und macht Lust auf noch mehr guten Science-Fiction-Stoff im Theater.
Der Futurologische Kongress
Regie: Christian Georg Fuchs
Mit: Dirk Baum, Wilfried Reach, Alicja Rosinski
Ausstattung: Christian Georg Fuchs
Puppenbau: Peter Lutz
Dramaturgie: Jörn Kalbitz
Theater der jungen Welt; Premiere: 23. Oktober 2014
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