Gier nach Geld und Macht

Für „Die kleinen Füchse“ holt Thomas Ostermeier Nina Hoss an die Schaubühne Berlin

Nina Hoss (links) in „Die kleinen Füchse“ (Foto: Arno Declair)

„Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse, die uns die Weinberge verderben, denn unsere Weinberge sind in der Blüte!“ (Hohelied 2.15) Auf diesen Vers aus dem Lied der Lieder von König Salomon geht der Titel des Stückes Die kleinen Füchse von Lillian Hellmann zurück.

Lillian Hellmann, Kommunistin und Verfolgte der McCarthy-Ära benutzt ein Familienpsychogramm einer Südstaatenfamilie für ihre Kapitalismuskritik. Die kleinen Füchse sind die aus einfachen Verhältnissen stammenden Geschwister Hubbard: Ben, Oscar und Regina. Ben, der wirtschaftlich Erfolgreichste der drei Geschwister ist noch Single. Oscar hat Birdie, die Tochter einer alten Südstaatenfamilie geheiratet, nicht weil er Birdie liebt, sondern weil er sich durch das Vermögen den Eintritt in den alten Geldadel verschafft hat.

Regina hat sich durch die Heirat mit dem Bankier Horace gesellschaftliche Anerkennung verschafft, allerdings ist sie immer die Abhängige geblieben, da sie im Gegensatz zu ihren Brüdern als Frau Anfang des 20. Jahrhunderts nicht selbstständig wirtschaften konnte.

Die drei kleinen Füchse – bis hierhin ist der Plot ganz logisch. Doch was oder wo sind die Weinberge, die die kleinen Füchse verderben? Meint Hellmann die gute alte Zeit der Landaristokratie, als Familien wie die von Birdie die Wirtschaft/Landwirtschaft beherrschten? Man kann es durchaus so lesen, die Reflektion auf Attribute dieser Zeit: herrschaftlicher Räume, Bedienstete, der Flügel und andere Dinge haben dazu beigetragen, dass die Kapitalismuskritik der Lillian Hellmann es zu einem erfolgreichen Stück 1939 am Broadway gebracht hat. 1941 wurde es überdies mit Bette Davis in der Hauptrolle verfilmt.

Und nun nach langer Zeit wieder in Berlin.

Thomas Ostermeier bereitet Nina Hoss mit der Rolle der Regina, die vom Deutschen Theater an die Schaubühne gewechselt hat ihren ersten Auftritt. Hoss spielt die vom Leben frustrierte Schwester, die in der Möglichkeit mit ihren Brüdern einen großen Deal zu landen, die lang ersehnte Hoffnung erfüllt sieht, endlich unabhängig sein zu können. Dafür macht sie alles: Ihren Mann Horace hat sie längst verraten, nun benutzt und verrät sie auch ihre Tochter Alexandra. Ihre beiden Brüder beleidigt und betrügt sie abwechselnd und spielt sie gegeneinander aus. Die Rolle der Regina hat von Anfang an etwas Kaltes und Berechnendes, die Rolle macht keine Entwicklung durch. Nina Hoss ist die böse kalkulierende Ehefrau, die ihren herzkranken Mann am Ende sogar durch unterlassene Hilfeleistung umbringt.

Die zweite weibliche Rolle bietet mehr Entwicklungsmöglichkeiten. Birdie lebt abwechselnd in der harmonischen Vergangenheit ihrer Kindheit und Jugend und in der erbarmungslosen und brutalen Kälte ihrer Ehe mit Oscar. Ihrer Verzweiflung kann sie nur noch mit Alkohol Herr werden, was die Verachtung ihres Ehemannes nur noch steigert. Ursina Lardi gibt eine ätherisch nervöse Birdie, der es aber gelingt nicht ins Lächerliche abzudriften. Am Ende ist Birdie die Einzige die sich vor der Wahrheit nicht versteckt. Authentizität, vielleicht ist es das was Hellmann mit dem Bezug zu den blühenden Weinbergen im Sinn hatte.

Thomas Ostermeier liest Hellmanns Stück ohne große Differenzierungen, in seiner Inszenierung geht es darum wie die Gier nach Geld und Macht die menschlichen Beziehungen zerstört. Dabei zeigt er deutlich auf das Heute und Jetzt. Jan Pappelbaum hat eine von schwarzem Leder und Chrom dominierte Ausstattung erfunden, sterile Räume wie in der Lobby einer Bank. Das ist alles deutlich, ja fast zu deutlich, denn man fragt sich nach den mehr als zwei Stunden ohne Pause irgendwann, wo denn eigentlich nun die Botschaft der Inszenierung liegt. Ostermeier und sein Team zeigen den menschenverachtenden Raubtierkapitalismus. So sind die Menschen, ja so sind wir nun mal. So einfach kann das sein und die herausragenden Schauspieler dieser Inszenierung tragen das Stück auch vollkommen. Doch das Gefühl, das kann nicht alle gewesen sein, wächst mit dem Abstand, den man von der Inszenierung gewinnt.

Die kleinen Füchse

Von Lillian Hellman

Regie: Thomas Ostermeier

Dramaturgie: Florian Borchmeyer

Mit: Ursina Lardi, David Ruland, Moritz Gottwald, Nina Hoss, Andreas Schröders, Mark Waschke, Iris Becher, Thomas Bading, Jenny König

Schaubühne Berlin, Aufführung von 9. Oktober 2014


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