Eine Ode an das Leben

DOK Leipzig: In seinem Erstlingswerk „Jalanan” erzählt der Kanadier Daniel Ziv ganz zauberhaft von drei charismatischen Straßenmusikern in Jakarta

Der philosophierende Anarchist Ho ist einer der Protagonisten in „Jalanan“. (Foto: Daniel Ziv)

Oft sind Geschichten um Menschen, die auf der Straße leben, von einer grundlegenden Traurigkeit geprägt. Denn das Leben auf der Straße ist hart und bietet wenig Grund zur Freude. Der Regisseur des Dokumentarfilms Jalanan, Daniel Ziv, wies jedoch vor Vorstellungsbeginn beim 57. DOK Leipzig darauf hin, dass das Publikum gerne mit den Protagonisten mitlachen solle. Und in den knapp zwei Stunden Laufzeit gibt es so viele zauberhafte, lustige, aber auch berührende Momente, dass am Ende ein großes schönes Filmgefühl steht.

Die Millionenmetropole Jakarta ist ein Potpourri vieler Kulturen. Inmitten des bunten Treibens trifft Ziv auf drei Straßenmusiker, deren Lebensweg er ganze fünf Jahre begleitet. Nach Drehschluss hatte er beeindruckende 250 Stunden Filmmaterial zu bewältigen. Diese Langzeitbeobachtung bringt dabei tolle Szenen hervor.

Boni lebt mit seiner Familie und Freunden unter einer Brücke. Für ihn ist die Brücke keineswegs ein Elendsort, sondern ein Glücksfall in seiner Situation. Nur während der Regenzeit überflutet der Kanal und bedroht die Lebensverhältnisse. Zudem wird im Verlauf des Films sehr deutlich, dass die Bewohner natürlich keinerlei Ansprüche auf ihr Domizil haben. Ähnlich grundpositive Ansichten zu ihrem Leben haben auch Ho und Titi. Alle eint, dass sie für ein paar Groschen in den Bussen der Stadt singen. Das eingesammelte Geld reicht dann gerade einmal so fürs Essen. Doch die Lieder der drei haben es in sich. Es sind nicht irgendwelche Songs, nein, alle schreiben ihr Material selbst und haben augenscheinlich Talent.

Regisseur Ziv räumte dann im Nachgespräch auch ein, dass er eine Weile nach den richtigen Protagonisten gesucht hat. Immerhin gibt es mehrere tausend Straßenmusiker in Jakarta und nicht alle werden so talentiert und optimistisch durch die Welt laufen. Aber dieses Gespür macht einen guten Dokumentarfilmer auch aus. Ziv hat es definitiv und vermag das Publikum so zu fesseln.

Die zurückhaltend beobachtende Kamera folgt den Protagonisten fast überall hin. So begleiten wir Titi zu ihren Eltern aufs Dorf, wo sie wie eine verlorene Tochter empfangen wird. Und Ho folgen wir sogar bis ins Gefängnis, wo er eine Nacht wegen Musizierens auf der Straße verbringen muss. Die grobkörnigen Bilder verleihen dem Ganzen eine poetische Dimension. Dazu spielt Ziv gerne die selbst geschriebenen Songs der drei in voller Länge ein. Manchmal erinnern die Schnitte dann obendrein an ein Musikvideo, besonders wenn dazu das bunte Treiben der Stadt montiert wird.

Ist der Film also eine romantizierende Darstellung prekärer Verhältnisse? Sicherlich schwingt diese Haltung in manchen Bildern mehr oder weniger mit. Und zuweilen vergisst man auch, dass der philosophierende Anarchist Ho, der in manchen Einstellungen wie ein junger Bob Marley aussieht, ernsthafte Probleme haben könnte. Doch Ziv holt den Zuschauer immer wieder zurück und verheimlicht die schwierigen Lebensbedingungen seiner Protagonisten zu keinem Zeitpunkt.

Der Durchsetzungswillen und der Optimismus, den Titi, Ho und Boni unermüdlich an den Tag legen, bewegt ebenso wie ihre wunderbare Musik. Daniel Ziv erzählt dann noch, dass die drei durch Jalanan zu etwas wie Stars in ihrer Heimat geworden sind. Der Film lief in Indonesien ganze 34 Tage am Stück im Kino und wurde ein veritabler Hit. Wenn auch nur im Kleinen, Dokumentarfilme können Leben verändern.

Ziv ist mit Jalanan eine Ode an drei Lebenskünstler, an die Stadt Jakarta, aber auch an das Leben überhaupt gelungen.

Jalanan

Indonesien 2013, 107 Minuten

Regie: Daniel Ziv

Wettbewerb für junges Kino beim 57. Dok Leipzig

Premiere: Cinestar, 28. Oktober 2014

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