Glanzleistung klassischen Theaters

Georg Schmiedleitner inszeniert mit „Maria Stuart“ am Schauspielhaus den Streit zweier Königinnen und erntet viel Applaus

Denis Petković (links), Anna Keil und Tilo Krügel (hinten), Fotos: Rolf Arnold

Ein Käfig aus kaltem Stahl, darin gefangen eine verzweifelte Maria. Daneben ihr Hüter Paulet, ein paar eiserne Bögen, sonst nur graues Nichts. Die Ausstattung in Georg Schmiedleitners neuer Inszenierung von Maria Stuart am Schauspiel Leipzig ist sparsam. Nichts soll vom Inhalt des Stückes ablenken. Die Geschichte ist ausreichend kompliziert: Die katholische Maria, Königin von Schottland, ist seit vielen Jahren Gefangene in England. Als Schutzsuchende vor juristischer Verfolgung in ihrer Heimat floh sie zu ihrer Tante zweiten Grades, der protestantischen Elisabeth I., Königin von England. Weil Maria aber nach katholischem Recht ebenfalls Anspruch auf den englischen Thron hat, stellt sie für Elisabeth eine Bedrohung dar. Das Parlament fordert die Hinrichtung Marias, ein Kampf um Leben oder Tod entbrennt.

Maria Stuart ist ein komplexes, textlastiges Stück. Kaum körperliche Handlung, einzig die geschmetterten Dialoge machen den Spannungsbogen des Stücks für die ZuschauerInnen nachvollziehbar. Wer nicht den Faden verlieren will in dieser Riege von Bitten und Vorwürfen, von Intrigen und Einflussnahmen, muss sich konzentrieren. Dunkelheit und im Sinne des Wortes erschreckend laute, verzerrt dröhnende Elektrobeats kündigen jeden Szenenwechsel an. Das macht es zunächst schwer, das Geschehen nachzuvollziehen. Spätestens aber, als Mortimer (Felix Axel Preißler) sein Verwirrspiel zwischen Maria und Elisabeth entspinnt, folgt man gebannt dem Stück.

Nun wird von allen Seiten an den Königinnen gezogen: Der besonnene Shrewsbury (Tilo Krügel) rät Elisabeth zur Räson, zur Begnadigung Marias. Baron von Burleigh hingegen – erfrischenderweise mit Anne Cathrin Buhtz weiblich besetzt – kann das Rollen von Marias Kopf gar nicht abwarten. Der wendehälsige Leicester (Andreas Keller) will, gleich wie das Schicksal entscheidet, auf der Seite der Gewinnerin stehen; sein Neffe Mortimer Maria aus ihrer misslichen Lage retten, verlangt dafür jedoch ihren Körper. Die unterschiedlichen Parteien stehen dabei auf der zum Zuschauerraum hin gekippten Bühne wie Figuren auf einem Schachbrett. Elisabeth selbst schwankt, will nicht für den Tod einer Königin verantwortlich sein, stimmt schließlich einem von Maria herbeigesehnten Treffen zu.

Anne Cathrin Buhtz (vorne links), Bettina Schmidt, Andreas Keller (hinten links) und Tilo Krügel

Trotz allem Ernst der Handlung gibt es für das Publikum auch etwas zu lachen: Zum Beispiel wenn sich beim Niederknien vor der Königin herausstellt, dass dem französischen Gesandten Aubespine (Sebastian Tessenow) die Hose zu klein ist oder der glühende Verehrer Mortimer seine nackte Brust mit Maria-Tattoo entblößt. Abgesehen von diesen auflockernden Albernheiten liefern die SchauspielerInnen an diesem Abend eine durchweg mitreißende Vorstellung, allen voran die Protagonistinnen: Bettina Schmidt steht als eiskalte und berechnende Elisabeth ihrer Widersacherin, der von Anna Keil gespielten, unendlich stolzen und doch hoffnungsvollen Maria Stuart gegenüber. Die Königinnen streiten und schreien. Maria versucht alles, um Herrin der Lage zu werden, Elisabeth zögert und schiebt hinaus. Schließlich unterschreibt sie zwar das Todesurteil ihrer Antagonistin, überlässt die Entscheidung der endgültigen Ausführung jedoch ihrem getreuen Diener Paulet (Denis Petković). Der absolute Gegensatz zwischen den beiden Frauen wird zum Ende des Stückes auch visuell sichtbar: Maria stirbt symbolträchtig im roten Kleid, zufrieden ihrem Tod als Märtyrerin entgegenblickend. Elisabeth schließlich verbleibt als letzte auf der Bühne, in einem Gewand wie eine schwarze Witwe, verlassen von den Mitgliedern ihres Staatsrats, die sie gegeneinander ausspielte – ganz allein.

Die Kunst jeder Inszenierung eines Trauerspiels ist es, das Publikum trotz besseren Wissens doch wieder auf die Errettung der Protagonistin, auf die überraschende Wendung hoffen zu lassen. Das ist Georg Schmiedleitner mit dieser Version von Maria Stuart gelungen. Wer also Lust auf eine – so oft vermisste – klassische Interpretation des Dramas in guter Umsetzung hat, sollte sich diese Fassung des Schillerschen Werks nicht entgehen lassen. Wer allerdings auf eine völlig neue Bearbeitung des Stoffes oder einen aktuell-gesellschaftspolitischen Bezug hofft, wird enttäuscht werden.

Maria Stuart

Regie: Georg Schmiedleitner

Mit: Anne Cathrin Buhtz, Anna Keil, Andreas Keller, Tilo Krügel, Denis Petković, Felix Axel Preißler, Bettina Schmidt, Sebastian Tessenow

Schauspiel Leipzig; Premiere: 31. Januar 215


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