1.000 Klischees flach

Der legendäre Blumfeld- Bandleader Jochen Distelmeyer hat seinen ersten Roman veröffentlicht. Hoffentlich bleibt „Otis“ sein einziger

Was ist einfallsloser als ein Schriftsteller, der einen Roman über Schriftsteller schreibt? Richtig! Ein Schriftsteller, der einen Roman über einen Schriftsteller schreibt, dem nichts einfällt, worüber man schreiben könnte. Ziemlich nahe dran an diesem Plot ist Jochen Distelmeyer, einst Texter und Sänger der unvergessenen Band Blumfeld, in seinem ersten Roman Otis. Der Held dieses Romans heißt nicht etwa Otis, sondern Tristan Funke und ist wie Distelmeyer selbst vor ein paar Jahren von Hamburg nach Berlin gezogen. Um unglücklich geendete Liebesgeschichten zu vergessen und auch beruflich neu durch zu starten, schien Berlin Tristan Funke einst die perfekte Stadt zu sein. Leider ist Tristans Erspartes mittlerweile alle, um sich die brotlose Arbeit am ersten Roman finanzieren zu können, weshalb er sich einige Euro von seinem schwer reichen Onkel hat leihen müssen.

Onkel Cornelius ist an dem Wochenende, an dem sich die eigentliche Handlung abspielt, auch in Berlin, weil seine Tochter Juliane aller Voraussicht nach in der Hauptstadt studieren möchte und man so schon mal Ausschau halten kann nach einer Eigentumswohnung (!) fürs verwöhnte Töchterlein. Als Onkel Cornelius unerwarteterweise arg viel früher aus Berlin wieder abreisen muss, beginnt Tristans eigentliche Odyssee (ja, auch Homers Versepos muss bei Distelmeyer als regelmäßig herbeizitierte intertextuelle Rahmenhandlung herhalten). Er muss mit seiner lolitahaften Cousine ins Theater und gerät mit ihr auf eine der typischen Berliner Partys voll von Fotografen, Galeristen und anderem pseudointellektuellen Künstlertum. Dass Tristan zwischendrin noch andere soziale und amouröse Verpflichtungen koordinieren muss, verleiht der platten, aufgeplusterten Handlung auch keinen weiteren Schwung. Mit den Dialogen und Figuren auf Groschenheftnivau will man gar nicht erst anfangen in Anbetracht von Distelmeyers Unvermögen in Sachen Prosa.

Hätte Jochen Distelmeyer es geschafft, aus seiner Hauptfigur einen sympathischen Slacker und Flaneur zu machen, besäße dieser arg überambitionierte Roman durchaus Charme. Da Otis aber überquillt vor seitenlangen gestelzten Ausführungen unter anderem zu modernem Regietheater und den Eigenheiten der gehobenen Küche in Sternerestaurants, ärgert man sich beim Lesen konsequent. Somit ist Otis ein verquasselter und in seiner grundsätzlichen Haltung zeitweise unbeholfen-arroganter Roman, der gerne eine intellektuelle Vermessung der mitunter arg berlinzentrierten Republik geworden wäre. Leider ist er bloß kaum mehr als eine von Lesern und Verlag fürstlich entlohnte Beschäftigungstherapie für den ideenlos gewordenen Verfasser einst maßgebender Songtexte.

Jochen Distelmeyer: Otis

Rowohlt

Berlin 2015

280 S., 19,95 €


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