Traumfrauen?

„Sex and the City“ in Berlin-Mitte: Anika Deckers Regiedebüt ist nichts für emanzipierte Cineastinnen

Wenn Sie schon dieses Bild bescheuert finden, können Sie sich den Kinobesuch sparen. (Fotos: Warner Bros.)

Was macht eine Traumfrau aus? Das ist wohl die große Frage aller „Cosmopolitan“-Artikel, die Antwort vermutlich der Heilige Gral der modernen Frau. Die Drehbuchautorin und Regisseurin Anika Decker gibt mit der Komödie Traumfrauen ihr Regiedebüt und versucht dieser Frage auf den Grund zu gehen. Leider scheitert sie dabei kläglich.

Die Handlung des Filmes ist schnell erzählt: Die Schwestern Leni (Hannah Herzsprung) und Hannah Reimann (Karoline Herfurth) sowie ihre Mutter Margaux (Iris Berben) haben kein Glück mit den Männern, weder in der Liebe noch im Beruf. Während Leni kurz vor dem Zusammenzug in die gemeinsame Wohnung von ihrem Freund abserviert wird, schafft es Hannah nicht, in ihrer Firma weder als Anwältin noch als begehrenswerte Frau anerkannt zu werden. Und Margaux muss das Ende ihrer 35-jährigen Ehe verdauen, da ihr Mann sie für eine Jüngere verlassen hat. Einzig die gemeinsame Freundin Vivi (Palina Rojinski) scheint sich nicht kurz vor dem emotionalen Zusammenbruch zu befinden, steht den drei Frauen jedoch mit manchmal recht zweifelhaften Ratschlägen zur Seite. Der Film erzählt, wie die Frauen mit ihren Problemen umgehen und sich ein besseres Leben erkämpfen wollen. Und zeigt dabei genau das Gegenteil.

Der Film wartet zwar mit großer Besetzung auf, dennoch zeigen die Charaktere wenig Authentizität. Während Leni mit über 30 vor Naivität bald wie ein Vulkan eruptiert, könnte das mangelnde Selbstbewusstsein von Hannah bald in dem Verlust des eigenen Spiegelbildes münden. Palina Rojinski haben wir mittlerweile auf dem Bildschirm so inflationär gesehen wie eine Helene-Fischer-Werbung, jedoch ist die durch sie verkörperte Vivi anfangs zumindest Hoffnungsträger der emanzipierten Frau. Leider werden wir auch hier enttäuscht, denn ihre höchsten Lebensziele scheinen sich auch auf Mutterschaft herunterbrechen zu lassen (bitte, welche intelligente Frau benutzt eine Verhütungs-App, und dann auch noch falsch?). Überraschend gut überzeugt uns Iris Berben, die trotz vorangeschrittenen Alters meiner Meinung nach die attraktivste und auch sympathischste der Frauen verkörpert. Im Gegensatz zu ihren Töchtern lässt sie sich nicht von jedem dahergelaufenen Christian Tramitz die Zunge ins Ohr stecken und bemüht sich zumindest, ihre Kämpfe wie eine Lady selbst auszufechten. Und wo wäre der deutsche Film 2015, wenn nicht auch der (scheinbar) einzige männliche Schauspieler Deutschlands mitspielt – Elyas M´Barek, als ehemaliger Kinderstar Joseph. Dieser agiert zur Abwechslung mal als ein Mann mit Charisma, ohne dabei den steroidgetränkten Muskelprotz zu mimen. Chaupeau, Herr M´Barek! Allerdings sind wir über das Meet-Cute zwischen Leni und Joseph wenig überrascht – in Zeiten von 50 Shades of Grey lernt man sich heutzutage vermutlich gern mal im Baumarkt kennen.

Elyas M’Barek (rechts) sieht in „Traumfrauen“ mal wieder vor allem gut aus.

Dies alles spielt sich in Berlin ab, der wohl beliebtesten Szenerie der deutschen Filmemacher. Wieder einmal werden sonnengeflutete New Yorker Impressionen auf die deutsche Großstadt gestanzt. Mit Urban Pop untermalte Fernsehturm-Skylines sollen dem zahlenden Cineasten wohl das Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit vermitteln, in dem alle Protagonisten, trotz dass sie keine richtigen Jobs zu haben scheinen, in protzigen Häusern oder Lofts wohnen. Die befinden sich natürlich – wie könnte es als Nudeldesigner oder Besitzer eines Cafés ohne Gäste anders sein – in Berlin-Mitte. Der Begriff des Berlin Girl spielt eine große Rolle, dass immer chic, frech und leichtlebig ist. Leider laut diesem Film auch nicht mehr als das.

Doch was ist nun eine Traumfrau? Laut der Protagonistinnen sollte eine Traumfrau jung, immer verfügbar, halb nackt und ohne Würgereflex sein. Ist doch ihr größtes Problem, dass die Männer in ihrem Leben sie nicht ernst nehmen und durch andere Frauen substituieren, behandeln sie doch ihre Männer genau so: austauschbar. Die ultimative Heilungsformel gegen Liebeskummer ist hier die „ABC“-Methode: Man schläft mit Mann A, dann mit Mann B um Mann A zu vergessen, dann mit Mann C um Mann B zu vergessen und so weiter. Á la „Sex and the City“ werden die Männer zu Wegwerf-Artikeln und eine wirkliche emotionale Bindung absolut austauschbar. Und da wundern sich die Protagonistinnen, dass sie selbst von den Männern erst mit den billigsten Pick-Up-Methoden aufgegabelt und dann weggeworfen werden wie alte Fußnägel.

Außerdem scheint die zentrale Frage zu sein: Was halten Männer für eine Traumfrau? Dabei sollten die Reimann-Frauen sich eigentlich selbstbewusst fragen, was sie selbst für eine Traumfrau halten. Sie lassen sich von den Männern einiges bieten, anstatt für sich einzustehen. Sie bemessen ihren eigenen Wert daran, wie sehr sie die Männer zufrieden stellen können, anstatt zur Abwechslung mal sich selbst. Wie Joseph schon richtig feststellt, sind sie die Art von Frauen, die immer einen Freund haben müssen. Im wahren Leben gibt es kaum etwas abtörnenderes für einen gestandenen und intelligenten Mann. Kommt es doch mal dazu, dass sie für sich selbst einstehen, verwechselt die Regisseurin und Drehbuchautorin Selbstbewusstsein und Stärke mit einem durchgeknallten und völlig übertriebenen Ausbruch weiblicher Emotionen. Wieder mal scheint nur der Mann sie retten zu können, und das Thema Selbstverwirklichung fällt (beinahe) unter den Tisch. Und obwohl Margaux am Ende ihren Mädels rät, sie sollen ihr Glück nicht von einem Mann abhängig machen, passiert letztendlich bei fast allen genau das. Wieder einmal ist ein Mann von Nöten, um ein Happy End zu schaffen, und das naivste Dummchen ohne eigene Lebensvorstellungen bekommt den Zuschlag. Dabei macht genau das sexy – ein eigenes Leben. Fazit: Liebe Utero-Cineasten, wenn ihr Vorbilder sucht, seid ihr in diesem Film falsch.

Traumfrauen

Deutschland 2015, 109 Minuten

Regie: Anika Decker; Darsteller: Hannah Herzsprung, Karoline Herfurth, Palina Rojinski, Iris Berben, Elyas M’Barek

Kinostart: 19. Februar 2015 unter anderem im Leipziger Cinestar, Cineplex und Regina-Palast


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