Do androids dream in Afrikaans?

… Eine von unzähligen Fragen, die der Science-Fiction-Film „Chappie“ aufdrängt. Regisseur Neill Blomkamp gelingt eine sehenswerte Inszenierung des Themas künstliche Intelligenz

Wehe, wenn er losgelassen: Informatiker Deon Wilson (rechts) und sein Roboter Chappie. (Fotos: Sony Pictures)

Neill Blomkamp ist wahrlich kein Unbekannter im Science-Fiction-Milieu. Sein Debütfilm District 9 aus dem Jahr 2009 löste weltweit Beachtung aus und stellte weitergehend zu recht infrage, welche Form und in weiterer Folge auch welche Produktionsmittel ein erfolgreicher Science-Fiction-Film in Zeiten von Megablockbustern wirklich benötigt.

Bei seinem neuen Film Chappie stellt sich nun anfangs die Frage, ob der Erfolg so einfach wiederholt werden kann, wenn nur die Kniffe des Debüts beachtet werden. Das dem internationalen Publikum immer noch relativ unbekannte Setting Johannesburgs, sparsam eingesetzt scheinende CGI-Effekte, der Fokus auf Charakterinteraktion, ist dies die erneute Formel zum Erfolg? Blomkamp hat sich schließlich zwischenzeitlich auch zumindest ökonomisch recht erfolgreich an anderen Science-Fiction-Formaten versucht, wenn man sein zweites Werk Elysium von 2013 betrachtet.

Glücklicherweise ist der ästhetische Schritt zurück bei seinem dritten Film Chappie letztlich ein doppelter inhaltlicher Schritt nach vorn. Auch wenn sich nach dem ersten Drittel erzähltechnisch phasenweise eine gewisse Seichtigkeit in Inhalt und Inszenierung abzeichnet, so gewinnt spätestens das letzte Drittel wieder eine erzählerische Tiefe, die den Film durchaus sehenswert macht.

Im Jahr 2016 wird durch die Entwicklung autonomer Androiden für den Polizeieinsatz die Kriminalität in der südafrikanischen Metropole Johannesburg erfolgreich bekämpft. Federführend bei dieser Entwicklung ist das Unternehmen Tetra Vaal, das von CEO Michelle Bradley (kurz und knackig gespielt von Sigourney Weaver) geführt wird. Leiter der Entwicklung autonomer Roboter ist der junge Informatiker Deon Wilson (dargestellt von Dev Patel). Ebenfalls im Entwicklungsteam von Tetra Vaal ist der ehemalige Soldat und Ingenieur Vincent Moore (gespielt von Hugh Jackman), der sich jedoch vehement für Entwicklung nicht-autonomer Roboter einsetzt, unter die auch sein eigener Prototyp fällt.

Sigourney Weaver (rechts) als Michelle Bradley, Leiterin des Unternehmens Tetra Vaal, das autonome Androiden für den Polizeieinsatz entwickelt.

Deon vervollständigt aus eigenem Antrieb seine Arbeit über den bisherigen Einsatzzweck hinaus hin zu einer vollständig autonomen künstlichen Intelligenz, und als er selbige in einem Feldversuch an einem defekten Androiden testen möchte, beim Unternehmen dafür jedoch zwecks Einsatzmangel im eigenen Rüstungsbetrieb auf herzlich wenig Gegenliebe stößt, entwendet er den Roboter kurzerhand auf eigene Faust. Dumm nur, dass er genau in diesem Moment von einigen Kleinkriminellen (hervorragend besetzt durch die Mitglieder Ninja und Yo-Landi Visser des südafrikanischen Musik/Hip-Hop-Phänomens „Die Antwoord“) entführt wird, die sich durch seine Hilfe erhoffen, erfolgreich einen Raubzug durchzuführen. Als klar wird, dass man eventuell einen Androiden für eigene Einsatzzwecke gleich mit entführt hat, beginnen verschiedene Interessen miteinander zu kollidieren, die auch als innerer Wertekonflikt im titelgebenden und mit einer autonomen KI ausgestatteten Androiden Chappie aufscheinen. Zu allem Überfluss kommt im späteren Verlauf auch Vincent noch einmal ins Spiel, der Deons Androiden sabotieren will, um seine eigene Entwicklungen in den Vordergrund zu rücken. Über all dem schwebt ab der Mitte des Films dann schlussendlich ebenfalls noch die Frage, was ein Bewusstsein ist, und wie es vielleicht greifbar gemacht werden kann.

Was sich nach einer Menge Stoff auf verschiedenen Ebenen anhört, ist auch tatsächlich eine Menge Filminhalt. Und auch wenn der Film sich zwei Stunden Zeit nimmt, um seine Geschichte zu erzählen, so kommt er erzähltechnisch teilweise dennoch arg in Bedrängnis.

Dies liegt in Teilen sicherlich jedoch auch an der Art und Weise, wie der Inhalt vermittelt wird. Während der Anfang es stilistisch gekonnt schafft, in kurzer Zeit das teils bedrängende Gefühl für eine authentische Zukunft aufkommen zu lassen, in der weitgehend autonome Roboter dem Menschen den Alltag erleichtern sollen (bedrängend, da gleich zu Beginn bei einem Polizeieinsatz sehr deutlich wird, wie hoch die technologische Überlegenheit gegenüber Menschen letztlich ist), so verliert sich diese erzählerische Einfachheit für tiefgehende Themen, als der titelgebende Android Chappie zu eigenem Leben erwacht und teilweise recht plakativ beinahe alle Reifestationen eines kriminellen Heranwachsenden inklusive zahlreicher moralischer Widersprüche durchläuft. So attraktiv dies oberflächlich auch inszeniert sein mag (ein spätpubertärer humanoider Roboter versehen mit zahlreichen Goldketten und Graffitis anstatt Tattoos ist nun einmal recht amüsant anzuschauen), so sehr verliert der Film hier neben einer Menge Erzählzeit oftmals auch die eingangs gegebene Tiefe, die bei der Frage nach dem Weg zu Chappies eigener Identität sicherlich nicht unpassend gewesen wäre.

Yo-Landi Visser, ein Teil des südafrikanischen Hip-Hop-Duos „Die Antwoord“, glänzt in der Nebenrolle einer Kleinkriminellen.

Umso erfreulicher ist in dieser Hinsicht dann das letzte Drittel, welches die teils flache Unterhaltsamkeit des Mittelteils wieder verlässt und offene und beinahe philosophische Fragen nach der Existenz und der Konstitution von Bewusstsein in Hinsicht auf künstliche Intelligenz forciert. Und nicht nur auf dieser Ebene wird der Film dann erwachsen, auch auf der Ebene der Gewaltdarstellung verlässt er durch eine kleine aber eindringliche Szene letztlich dann überraschend eindeutig für den Zuschauer den Raum der unkomplizierten Unterhaltung.

Somit erfüllt das Ende das eingangs aufscheinende Versprechen nach einer substantiellen Auseinandersetzung mit der Frage nach Bewusstsein im Wechselspiel zwischen Mensch und Maschine auf spannende und tiefgehende Weise. Und auch wenn die gegebenen Antworten vielleicht nicht vollkommen neu sein mögen, so ist es letztlich die Inszenierung Blomkamps, die dem Blick auf diese Thematik einen wirkmächtigen Dreh gibt, und es weitergehend versteht, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Türen zu öffnen, um dem Zuschauer das (Nach-)Denken nicht abzunehmen, sondern ihn genau zu selbigem zu animieren.

Es ist in dieser Hinsicht auf inhaltlicher Ebene außerordentlich bereichernd, wenn neben dem Hauptstrang der Erzählung auch immer wieder Kleinigkeiten wie z.B. die Religiösität von Hugh Jackmans Charakter mit nur kleinen Gesten unterstrichen wird. So wird zum Beispiel in einer der Schlussszenen, in denen von technischer Unsterblichkeit gesprochen wird, in Folge durch Jackmans Reaktion deutlich, welche zeitgenössischen Entwicklungen auf einer unterschwelligen Ebene mit welchen gesellschaftlichen Stigmata belegt sind.

Es ist abschließend und wie anfangs schon kurz erwähnt ein Glücksgriff, dass Blomkamp mit Chappie in großen Teilen stilistisch an sein Erstlingswerk District 9 anschließt. Dies beginnt mit der wieder stimmigen Lokalisierung des Filmes in Südafrika, die dem Film tatsächlich wieder in den richtigen Momenten eine Form von Authentizität beschert, welche in einem für den Zuschauer gewohnterem Setting eventuell verloren gehen würde, und setzt sich fort bei dem exzellenten Casting, bei dem weniger die großen Hollywood-Namen von Sigourney Weaver und Hugh Hackman die tragenden Säulen sind, sondern sich insbesondere die beiden Musiker Ninja und Yo-Landi des südafrikanischen Musik-Phänomens „Die Antwoord“ hervorheben.

In einer Zeit, in der zunehmend von autonomen Fahrzeugen gesprochen wird, und Google erst kürzlich vermeldet hat, eine künstliche Intelligenz entwickelt zu haben, die bereits in der Lage ist, einfache Videospiele selbst zu erlernen, ist Blomkamp mit Chappie eine sehenswerte Inszenierung des Themas künstliche Intelligenz gelungen. Der Film tritt trotz einiger kleiner Schlenker letztlich auf erstaunlich reifem Wege in die Fußstapfen seiner filmischen Vorfahren, wie Ridley Scotts famosem Blade Runner (welcher wiederum auf Philip K. Dicks erfolgreichen Sci-Fi-Roman „Do androids dream of electric sheep?“ basiert, auf den sich der Autor dieser Zeilen titelgebend bezogen hat) Steven Spielbergs A.I. oder dem bekannten I, Robot. Chapeau, Chappie!

Chappie

USA/Südafrika 2015

Regisseur: Neill Blomkamp, Darsteller: Sigourney Weaver, Hugh Jackman, Dev Patel, Yo-Landi Visser, Watkin Tudor Jones

Kinostart: 5. März 2015, Cinestar, Cineplex, Regina-Palat


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