„When I am bored, I like to put things in my mouth“

Joshua Montens Stück „Doggy Style“ im Lofft beschäftigt sich mit der Bewegungssprache von Hunden. Und die ist menschlicher, als man denkt

Pfoten (Foto: Christian Glaus)

Gleich am Anfang von Joshua Montens neuer Choreographie wird klar: Hunde sind ein bisschen treudoof. Enthusiastisch rennen sie immer wieder dem gleichen imaginären Ball hinterher, ohne auch nur im Geringsten das Interesse zu verlieren. Sie verfolgen ihren eigenen Schwanz, ihre eigenen Artgenossen und gelegentlich auch den eigenen Besitzer. Sie sind ungestüm, ungeschickt und machen vor allem Dreck und Ärger. Dennoch ziehen sie den Menschen mit ihrer Stärke, Hingabe und Eleganz schon immer in ihren Bann. Zeit, ihnen einen Theaterstück zu widmen.

Die vier Menschen auf der Bühne, die an diesem Abend im Lofft zu sehen sind, scheinen viel mehr zu sein als nur Tänzer. Einen Begriff für sie zu finden fällt schwer. Sie tanzen, sie sprinten auf allen Vieren über die Bühne und bellen mit dem ganzen Körper, sie kämpfen, befehlen, sprechen und gebärden. Das Bewegungsmaterial ist erstaunlich vielfältig, denn „Doggy Style“ setzt sich nicht nur mit den typischen Bewegungsabläufen von Hunden auseinander. Auch die Gebärdensprache, die schon in Montens früheren Stücken eine wichtige Rolle spielte, wird immer wieder genutzt. Besonders wertvoll sind dabei die Momente, in denen die Gebärdensprache erst im Nachhinein für Außenstehende übersetzt wird. So kann man sich vollkommen auf die Bewegungen, die einerseits zunächst unverständlich, andererseits seltsam vertraut sind, konzentrieren. Das Stück wird dadurch nicht nur zugänglich für nichthörende Zuschauer, die Gebärdensprache gibt auch dem Tanz eine neue Dimension.

Bedenklich (Foto: Jonas Kambli)

In der Choreographie werden vor allem Gruppendynamiken thematisiert, ohne dass das Stück dabei an Leichtigkeit verliert. Ein gewisser (etwas simpler) Humor bleibt auch bei so ernsten Themen wie Abhängigkeitsbeziehungen und Macht – und Hierarchiekämpfen erhalten. Spätestens an dieser Stelle scheinen die Tiere plötzlich viel menschlicher zu sein, als man anfangs zugeben wollte. Virtuos wechseln die Tanzenden die Rollen, verwischen schnell die klaren Linien und werden so zu Halbwesen, die sich überall und nirgends einordnen lassen.

Überhaupt geht es viel darum, die festen Grenzen zu hinterfragen, die man mit sich im Kopf herumträgt. Je länger man zusieht, desto unwichtiger scheint es zu sein, Tier und Mensch, hörend und nicht-hörend voneinander unterscheiden zu können. Zwischenzeitlich hören die Tänzer andere Musik als die Zuschauer. Dennoch passt alles irgendwie zusammen. Erwähnt sei etwa die wunderbare Szene, in der die vier Tänzer gleichzeitig in ihren jeweiligen Muttersprachen verschiedene Texte sprechen und dazu gebärden – in unterschiedlichen Gebärdensprachen. Ein geniales Sprachchaos, in dem jeder etwas, aber niemand alles verstehen kann.

Joshua Montens Choreographie ist viel mehr als eine reine Bewegungsstudie. Sie regt zum Nachdenken an über Ungleichheit in Beziehungen und die so viel zitierten Schubladen im Kopf, ohne dabei belehrend zu werden. Der pubertäre Humor, der sich schon im Titel zeigt, bleibt das ganze Stück über präsent. Zum Glück.

Doggy Style

Kontzept und Choreographie: Joshua Monten

Tanz: Derrick Amanatidis, Karolina Kraczkowska, Ariadna Montfort, Jack Wignall Gebärdensprachcoaching: Brigitte Schökle Staerkle, Ariane Gerber

Lofft; Premiere: 9. April 2015


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