Im Schauspiel Leipzig wird die Suite des „Splendid’s“ höchst unterhaltsam zugunsten der Würde würdeloser Verbrecher dekonstruiert
Als der Zuschauer die Hinterbühne des Schauspiels Leipzig betritt, erwartet ihn ein großer Holzkubus mit dem Volumen einer Hotelsuite, komplett verschlossen von rohen Holzplatten. Nebel, Rauschen, die Darsteller halten sich vor dem Kubus auf und mustern das Publikum lakonisch. Sie sind im Prozess des Ankleidens, ziehen sich Anzüge an, versorgen sich mit Fliege, Zigaretten, Flachmann, Maschinengewehr, das Übliche eben. Sie sind bereit. Sie löschen die Zigarette. Sie steigen ein. Ein Mann zieht sich einen bemalten Feinstrumpf über das Gesicht und greift sich eine Filmkamera. Der Kubus dreht sich auf der Drehscheibe und der Zuschauer schaut auf den Kubus als ein großes, hölzernes Prospekt für gute anderthalb Stunden sauber inszenierter absurden Komödie. Ein Theaterstummfilm beginnt, grotesk humoresk. Dann wird vom Konstrukt ein Wandstück genommen und man schaut in das Zimmer der Diskurse: des Überwindens im Beisein vom Tod im Angesicht einer aussichtslosen Situation.
Splendid’s nennt sich das Hotel, in dem eine Geiselnahme fehlschlägt. Denn die Geiselnahme hat gerade erst begonnen und die Frau ist bereits tot. Die Fragen stehen im Raum: Wer hat sie getötet? Und wie kommen sie aus der Situation wieder raus, umzingelt von Polizei und Medienberichterstattung. Immer wieder schaltet sich das Radio ein und eine Nachrichtensprecherin entmutigt sie von neuem: „Die Verbrecher haben keine Chance. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.“ Sie haben keine Chance, es ist nur noch eine Frage der Zeit.
Dieser Niedergang einer Truppe in Form einer dramatischen tragikomödiantischen Groteske ist von Claudia Bauer inszeniert worden. Am Schauspiel Leipzig ist es ihre dritte Arbeit, und wieder bedient sie sich feinsinnig an einem Gefühl für das Absurde des Momentes (ganz groß: Michael Pempelforth als Johnny entdeckt seine feminine Seite als material girl) und einer ausgefeilten Mediendramaturgie.
Das Prospekt dreht und wandelt sich und gewährt zunehmend mehr Einblicke in die geräumig wirkende, aber kompakt gebaute Hotelsuite auf der Hinterbühne. Dabei arbeitet eine feine Komposition aus Video- und Echtbildern, Kamera- und Schauspielbewegungen und verstärktem Toneinsatz so hervorragend, dass einem die Mittelmäßigkeit des Ensembles kaum auffällt.
Die Videoprojektionen öffnen den Blick des Zuschauers in den Kubus, arbeiten detailreich und schaffen Bewegung im Raum der Hotelsuite. In seiner Enge lässt er die Vermutung zu, dass das Ensemble meist in den Ecken rumsteht, bis sie wieder einen Einsatz haben. Das lässt sich jedoch nicht beweisen, denn nur gezielt kann man die Suite direkt einsehen, stufenweise erhöhen sich die Einblicke und werden dem Zuschauer spontan wieder weggenommen.
So was macht Spaß, so kann man im Schauspiel Leipzig mal wieder lachen. Und das passiert in letzter Zeit wirklich nicht so oft.
Splendid’s
Regie: Claudia Bauer
Mit: Wenzel Banneyer, Jan Friedrich, Andreas Keller, Tilo Krügel, Dirk Lange, Michael Pempelforth, Mathis Reinhardt, Laura Schuller, Sebastian Tessenow
Schauspiel Leipzig, Premiere: 18. April 2015
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