Die Journalistin Julia Friedrichs hat ein Buch über Erbschaften geschrieben. Statt scharfsinniger Analysen liefert sie aber nur eine Sammlung von Porträts
Die wirklichen Tabuthemen im öffentlichen Diskurs werden immer weniger. In Sachen Sexualität ist mittlerweile fast alles abgegrast und nur über den Tod wird sehr viel sehr einvernehmlich geschwiegen. Aber halt, es gibt noch ein Thema, über das sich nur wenige gerne publik äußern. Die Rede ist vom Themenkomplex rund um Erbschaften, die das Vermögen hier im Land neu verteilen werden. Für die nächsten zehn Jahre prognostizieren die Ökonomen ein Vermögen von rund drei Billionen Euro, die den Besitzer wechseln werden.
Aber was ist mit denen, die von diesem großen Kuchen nichts abbekommen? Kann man durch höhere Steuern oder eine größere Spendenbereitschaft unter den Großerben diese gigantische Vermögensumwälzung gerechter gestalten? Dies ist quasi die Ausgangsfrage von Julia Friedrichs’ Buch Wir Erben: Was Geld mit Menschen macht. Die Journalistin hat dieses Thema für sich ausgekundschaftet, nachdem sie in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis eine bemerkenswerte Beobachtung gemacht hat: Während sie weiterhin ihrer studentischen Wohnung mit Ikea-Einrichtung treu blieb, trotz mehr oder weniger festem Journalistinnengehalt, zogen einige ihrer Weggefährten der letzten Jahre von heute auf morgen in edle Townhouses oder Altbauwohnungen, die meist mindestens eine halbe Million an Budget verschlangen. Wie konnte das passieren, wo doch keiner der Beobachteten einen Job abgegriffen hatte, in dem saftige Managergehälter gezahlt wurden? War die Frage „Erbe: Ja oder Nein?“ zu einem entscheidenden Faktor geworden, der den Lebensweg nach Studium und den ersten Schritten in der Arbeitswelt mitbestimmte?
Dieser sehr persönliche Einstieg von Julia Friedrichs weiß durchaus mitzureißend. Doch was danach auf rund 300 Seiten folgt, ist eher ernüchternd, da es weder tiefschürfende Analysen liefert, noch dem offenbar mitunter erbschaftsbedingten Phänomen der Gentrifizierung näher auf den Zahn fühlt. Friedrichs hat ihr Buch lieber mit einer Reihe von Porträts aufgefüllt. Darunter einige Nobodys, aber auch prominente Namen wie Götz W. Werner (Besitzer der Drogeriekette DM) oder Wolfgang Grupp (Besitzer des Textilunternehmens Trigema). Zwar mögen beide Unternehmer unterschiedliche Ansätze verfolgen (Werner vererbt nichts an seine Kinder, Grupp hingegen sähe seine Erziehung gescheitert, wenn die Kinder das Unternehmen nicht vernünftig weiterführten), trotzdem sind ihre Meinungen und Ansichten in Anbetracht ihrer häufigen medialen Präsenz ziemlich kalter Kaffee.
Wir Erben ist ein gut gemeintes und durchaus gut durchdachtes, unterhaltsames Sachbuch. Aber wenn es ums erzählerisch-schreiberische Handwerk geht, schrammt es einfach an seiner Intention vorbei. Das Thema und die es begleitenden Probleme werden zwar aufgeworfen, aber nur oberflächlich untersucht, von gut ausgearbeiteten Lösungsansätzen ganz zu schweigen. Damit wird Wir Erben leider zu einer reinen Vorlage für ziellose wie vereinfachende Diskussionen in den unendlich vielen Talkshows im deutschen TV. Als Julia Friedrichs bei 3 nach 9 gemeinsam mit Peer Steinbrück in einer Runde saß, brachte es die Autorin nicht einmal übers Herz, den ehemaligen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück dafür zu schelten, dass er einst im Amt des Finanzministers die Erbschaftssteuer um über zehn Prozent gesenkt hatte. Auch wenn man das nicht zwingend miteinander verbinden sollte, hat dieser Auftritt die Lektüre von Friedrichs’ Buch noch im Nachhinein weiter getrübt.
Julia Friedrichs: Wir Erben – Was Geld mit Menschen macht
Berlin Verlag
Berlin 2015
320 S., 19,99
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