Und wer macht das jetzt weg?

In der Werkstatt des Lofft zeigt die Gruppe Go figure! eine unterhaltsame Putz-Performance mit dem Titel „Schöner Cleaning Feudel Collapse“

Fotos: Thomas Puschmann

„Warum muss ich denn mein Zimmer aufräumen? Es wird doch eh‘ wieder schmutzig!“ Schon als Kinder erkennen wir die perfide Natur der Ordnung: Sie ist flüchtig. Kurz nachdem man mit großer Mühe das dreckige Geschirr, die getragene Wäsche, den staubigen Boden gereinigt hat, ist schon wieder alles wie vorher. Die Performance-Gruppe Go figure! hat sich mit theatralen Mitteln dieser unschönen, aber unausweichliche Begleiterscheinung des Daseins angenommen – dem Putzen. Schöner Cleaning Feudel Collapse ist der Abend überschrieben, eine Ein-Frau-Show auf der Werkstattbühne des Lofft.

Zuerst ist es noch ganz ordentlich, ein Sofa, ein Mülleimer und ein in der Luft schwebender Bilderrahmen bilden die Ausgangssituation der Performance. Die Figuren, die dann im Laufe der etwa 70 Minuten in dieser Kulisse lachen, leiden und vor allem: putzen, repräsentieren eine breite Palette von Möglichkeiten, sich mit dem notwendigen Übel zu arrangieren: Von der Hochstilisierung des Aufräumens zu einer Lebensphilosophie über nervöse Gesichtszuckungen beim Anblick herumliegender Kleidung bis zu einer beinahe erotische Begegnung mit der Fusselrolle – die Grenze zwischen gesunder Reinlichkeit und neurotischem Fetisch ist fließend.

In den assoziativ verknüpften Szenen zeigt sich die Darstellerin Carina Sperk immer souverän und wandelbar. Nicht zuletzt dank ihrer sympathischen Ausstrahlung und dem gekonnten Spiel mit Mimik und Körper folgt man dem Geschehen auf der Bühne, das sowohl tragische als auch viele komische Momente bereithält, mit großer Freude. Die Inszenierung durch Veronika Lechner überzeugt ebenfalls: Alle Situationen sind stimmig und stilsicher aufgebaut, und vor allem der geschickte Einsatz von Texten, ob als Monolog oder Dialog, fällt positiv auf. Besonders interessant ist zudem, wie die Eigendynamik von Ordnung und Unordnung als performatives Element genutzt wird. Denn eine Sache haben die Geschehnisse auf der Bühne mit der Realität gemeinsam: Auch wenn die Szenen nur gespielt sind – das Chaos ist real. An dem ständigen Kreislauf von Aufräumen und Verwüsten, zeigt sich: Putzen ist eine wahre Sysiphos-Arbeit. Eine Drecksarbeit, die immer wieder von vorne beginnt.

An dieser Stelle entfaltet die Performance kritisches Potenzial, denn sie stellt die Frage: Wer macht diese Drecksarbeit? Wer muss sich die Finger schmutzig machen, damit der Rest von uns es sich in blitzblanken Wohnungen und Büros gemütlich machen kann?

Als Antwort sehen wir Carina Sperk dabei zu, wie sie sich als Putzfrau in der leeren Wohnung ihrer gut situierten Arbeitgeberin ein luxuriöses Oberschicht-Leben herbei fantasiert – bis die Uhr sich meldet, und sie hektisch die Überreste der Party vom Wochenende wegschaffen muss. Auch wenn ihre Chefin sie freundschaftlich duzt und ihr anbietet, sich doch gerne am Kühlschrank zu bedienen („Nimm dir, was du möchtest, wir haben doch so viel“), bleibt der soziale Unterschied offensichtlich. Nachdem alles ordnungsgemäß weggeräumt und der Boden gewischt ist, lässt sie sich erschöpft auf die Couch fallen. „Das hätte die Cinderella-Szene werden können“, sagt sie. Die Verwandlung von der einfachen Magd in eine glamouröse Ballkönigin, inklusive Kleid, Prinz und Kutsche. Aber daraus wird nichts. Stattdessen erhält das Publikum einen kleinen Abriss über die prekären Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte, die seit Einführung des Mindestlohns mehr Fläche in weniger Zeit abarbeiten müssen. Das Ergebnis der jüngsten Tarifverhandlungen: 10 Cent mehr pro Stunde. Doch auch im Privaten hat sich an den Verhältnissen weniger geändert, als es dem Selbstverständnis des modernen Großstadtmenschen vielleicht entsprechen würde. Zwischen Kind, Abgabe der Dissertation und Streitigkeiten mit dem Künstler-Ehemann erwischt sich eine junge Mutter dabei, wie sie in überwunden geglaubte Rollenmuster hineinrutscht. „Am Ende muss ich doch wieder alles machen!“, wirft sie ihrem Partner vor und greift voller Wut zum Staubsauger. Dieser Moment ist umso bedrückender, als er gefährlich nah an der Alltagswelt der jungen Zuschauerinnen und Zuschauer liegt, viel näher als stereotype Putz- und Hausfrauenfiguren.

Am Ende ist der lange Applaus für Darstellerin und Regisseurin mehr als verdient. Sie haben ein vielseitiges, humorvolles, nachdenkliches und alles in allem gelungenes Stück Theater präsentiert. Saubere Arbeit, könnte man sagen. Nachdem die Blumen überreicht sind und der Saal sich langsam leert, sieht man noch, wie das Team die herumliegenden Requisiten zusammenräumt und schon mal den Besen holt. Da hilft wohl auch die Kunst nichts: Geputzt werden muss nachher trotzdem.

„Schöner Cleaning Feudel Collapse“

Regie: Veronika Lechner

Mit: Carina Sperk

Lofft, Werkstattbühne, Premiere 25.01.2016


Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.