800 Jahre städtische Musikgeschichte

Claudia und Johannes Forner treten in einem attraktiven Text-Bild-Band den Beweis an: Leipzig ist eine Weltstadt der Musik

Gleichermaßen von Merkur und den Musen geküsst, gehörte die Messestadt Leipzig zumindest im 19. Jahrhundert neben Wien und Paris zu den großen Musikmetropolen Europas. Ja, bis heute gilt sie als eine Weltstadt der Musik. Diese These beweisen die beiden fachlich äußerst versierten Autoren Claudia und Johannes Forner überzeugend anhand von leicht verständlichen, aussagestarken Fakten und zahlreichen, oft überraschenden Bilddokumenten aus Vergangenheit und Gegenwart.

In insgesamt sechs großen Zeitabschnitten entfaltet sich ein über 800 Jahre hinweg reichender Bogen städtischer Musikgeschichte, der neben jeweils einem einleitenden Überblick fast lexikonartig geordnete Auskünfte zu musikalischen Institutionen, einzelnen Ensembles sowie zu herausragenden Persönlichkeiten bietet. Dadurch empfiehlt sich das Buch nicht nur zur häuslichen Lektüre, sondern zudem als touristischer musikalischer Stadtführer, der auch englischsprachigen Interessenten ganz unmittelbar zugänglich ist.

Ein erster durchgängig zu verfolgender „Handlungsstrang“ geht vom bereits 1212 quellenkundlich nachweisbaren Thomaskloster aus und präsentiert die tatsächlich wundervolle geistliche Musik von der Einrichtung des Thomanerchors über die Werke Johann Sebastian Bachs bis zur Wiedereröffnung des Kirchenmusikalischen Instituts nach 1989. Berührende Fotografien etwa vom Ausschnitt aus dem Thomasgraduale bis zur stimmungsvollen Begegnung zwischen Thomasorganist Hannes Kästner (Thomasorganist 1951–1984) und Thomaskantor Erhard Mauersberger (Thomaskantor 1961–1972) begleiten diese Darstellung.

Ein zweiter Schwerpunkt bezieht sich auf das Operngeschehen innerhalb der betont weltoffenen, bürgerlich geprägten Stadt. Dabei kommen zwar beispielsweise die Leistungen eines Johann Adam Hiller und eines Albert Lortzing zur Sprache. Aber im Mittelpunkt stehen natürlich die Werke des in Leipzig geborenen Richard Wagner. Wer von den Aufführungen des vollständigen Ring des Nibelungen mit den Regisseuren Angelo Neumann 1878 und Joachim Herz 1976/78 liest, begreift die entsprechenden gegenwärtigen Bemühungen des derzeitigen Opernintendanten Ulf Schirmer.

Schließlich ist die Musikstadt Leipzig ohne das weltberühmte Gewandhausorchester undenkbar. Hier hat Johannes Forner vor seiner Zeit als Professor für Musikwissenschaft und Prorektor der Hochschule für Musik und Theater als Chefdramaturg selbst mitgewirkt. Darüber hinaus zeigt er sich mit dem Klangkörper allein schon durch seine Bücher über Felix Mendelssohn Bartholdy, Johannes Brahms, die Entwicklung des Gewandhauses sowie seine profunde Biografie Kurt Masurs verbunden. Umfassende Einblicke sind außerdem gerade von der nach Felix Mendelssohn Bartholdy benannten Ausbildungseinrichtung zu gewinnen. Bilder zeigen ihren Anfang, ihre Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, jedoch auch die faszinierenden Aufbauleistungen der zurückliegenden 25 Jahre.

Unzählige weitere Fakten versammelt diese neue Publikation, die auch besonders populäre Musik beachtet, sodass Sperontes’ Kompendium Singende Muse an der Pleiße von 1736 aus dem Verlag Breitkopf, dem ältesten Musikverlag der Welt, ebenso wenig ausgespart wird wie Die Prinzen und Veranstaltungsorte der Pop-Kultur. Trotzdem bleibt selbstverständlich viel Raum, eigene Erfahrungen zu ergänzen, etwa zum Deutschen Musikarchiv am Leipziger Standort der Deutschen Nationalbibliothek, dessen überaus reiche Schätze hierzulande noch kaum bekannt sind.

Claudia und Johannes Forner:

Musica Lipsiensis. Leipzig – eine Weltstadt der Musik

Leipzig – a Metropolis of Music

Passage-Verlag

Leipzig 2015

260 Seiten, rund 300 Abbildungen – 29,50 Euro


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