Liest du noch oder bloggst du schon?

Was die Leipziger Buchmesse zu denken aufgibt über Blogger und Selbstpublizierer

Foto: Leipziger Buchmesse

Ein Spektakel der Bücher fand wieder statt. Sollte man jedenfalls meinen. Seit Jahren ist die Buchmesse eine Bühne für Autoren und Verlage, aber auch ein Knotenpunkt für die wichtigsten Multiplikatoren unserer Zeit. Nein, damit sind zur Abwechslung nicht die Pressevertreter gemeint. Sondern die Blogger, die am vergangenen Sonntag im Rahmen der ersten blogger sessions von Direktor Oliver Zille begrüßt wurden.

Doch das hilft nicht darüber hinweg, dass Blogger nach wie vor belächelt werden – das Klischee der gelangweilten Mutti, die Smoothie-Rezepte mit wackeligen Handykamerafotos ins Netz stellt und ums Weiterzwitschern ihres Contents bettelt, hält sich hartnäckig. Oder das der ziellosen Hipster-iPhone-Daddler, denen inzwischen mehr Hohn und Spott entgegenschlägt als einem bankrottgegangenen Z-Promi. Ja, Freiheit und Geld sind die großen Leuchtfeuer des Neides in Deutschland – aber das ist ein anderes Thema.

So werden Blogger auf der anderen Seite heftig attackiert, weil die Mode- und Lifestylespartisten unter ihnen Geld verdienen. Verachtet und gefürchtet sind sie ebenfalls, die digitalen Vagabunden der Neuzeit.

Und wo bleibt der Literat?

Der Buchblogger hingegen ist die graue Maus, verortet zwischen dem arbeitsscheuen Prenzlberger und den bösen Fashion-Kapitalisten. Ein Idealist, arm wie eine Kirchenmaus, aber hoch im Geiste. Kennen wir das nicht von irgendwoher? Aus einer Zeit, bevor Autoren zu lächelnden Coverabbildungen mit Jetsetbiografien stilisiert wurden? Bevor sie die neuen Actionstars wurden, die hippe szenische Lesungen veranstalten?

Man könnte auch die Buchblogger insgesamt belächeln, aber dafür sind einige von ihnen viel zu stark und attraktiv geworden. Mit ihren vertrauensvollen Lesern stellen sie perfekte Marketingkanäle für die Verlage dar: hautnah an der Zielgruppe und – gratis. Ja, die meisten Buchblogger haben immer noch nicht verstanden, dass sie sich ausbeuten lassen. Da hilft es auch nichts, vom Podium der blogger sessions zu hören, dass man die Blogger ja nicht in ihrer Jammerei verstehen könne. Oder dass sie ihre Unabhängigkeit verlieren würden, wenn man sie bezahlt. Schon klar.

Es ist die unternehmerische Chuzpe, die den idealistischen Buchblogger wie ein umfegte. Ein Wolf, auf den die Szene nicht vorbereitet war. Ein Wolf also, der flauschig daherkommt und im Blogger das naive Rotkäppchen gefunden hat.

Indie wird langsam uncool

Das große Thema der lbm#16 ist, wie sollte es auch anders sein, die Abnabelung. Man ist jetzt, so der Common Sense von Bloggern und Selfpublishern, nach einigen Jahren der Geigelei des Indie-Daseins überdrüssig. Jetzt will man ins Big Business, ohnehin sei Selfpublishing längst das größere Ding vor den etablierten Verlagen. Dass selbst jene Verlage, die hetzerischen Unsinn verbreiten, einen unübersehbaren Stand bekommen, scheint für die These und gegen die bösen Publisher zu sprechen. Aber ist die Rechnung tatsächlich so einfach? Oder haben wir da etwas übersehen?

Wes Geistes Kind sie sind

Ok, es geht also um Tacheles. Schön, dann reden wir Tacheles. Reden wir darüber, wie Blogs zahlreich und Selfpublishing-Plattformen wirklich groß geworden sind: mit dem Versprechen: „Auch du kannst jetzt veröffentlichen!“ Keine lästigen Lektoren mehr, die einen ja sowieso nicht in der eigenen Künstlichkeit – Verzeihung, künstlerischen Ambition verstehen. Was aber nie versprochen wurde: dass auch jemand zuhört.

Vielmehr hat dieses Versprechen dazu geführt, dass die von Anfang an wirtschaftlich Denkenden die großen Stücke des Kuchens abbekommen haben. Und der Rest enttäuscht an den Krümeln knabbert. Sie haben sich blenden lassen, von der schönen neuen Welt, dem digitalen Dorf, in das sie voller Hoffnung geflüchtet sind – und sich nun über die ländliche Langeweile beschweren.

Ob es tatsächlich immer Qualität ist, die sich in diesem schnelllebigen Markt durchsetzt, sei einmal dahingestellt. Aber es ist die alte Frage von Henne oder Ei, was war zuerst da – der innovative Roman/Blog oder das diffuse Glück, „entdeckt“ worden zu sein? Man weiß es nicht so recht und irrlichtert ratlos in die Zukunft. Doch beim Ziel ist man sich auch hier geschlossen einig: Es wird, man weiß zwar nicht wie, aber es wird definitiv. Man muss nur dranbleiben, irgendwie und sich vernetzen und so.

Fazit

Selfpublishing und Blogs – das sind zwei Entwicklungen des gleichen Ursprungs. Auf der lbm#16 war zu sehen, dass das Bewusstsein der Beteiligten wächst. So ging es bei den blogger sessions tatsächlich raus aus der Flauschzone. Gut so! Doch das ist erst der Anfang. Der Flausch muss ja nicht gleich durch Stahlwolle ersetzt werden. Aber im nächsten Jahr sollte das Thema nicht mehr lauten, wie Blogger professioneller werden – sie sollten es bis dahin sein.

Leipziger Buchmesse

17. bis 20. März 2016


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