Der Kirgise Mirlan Abdykalykkov wollte in seinem Debütfilm „Nomaden des Himmels“ eine Lanze für bedrohte Traditionen brechen – tatsächlich aber verrennt er sich in das Gegenteil
Er wolle den Konflikt zwischen der modernen Welt und den langsam verschwindenden Traditionen erzählen, erklärt Regisseur Mirlan Abdykalykkov in der Pressenotiz zu seinem Debütfilm. Gleichzeitig möchte er deutlich machen, wie dringend notwendig es ist, diese Traditionen zu erhalten. Damit hat er die Botschaft seines Films Nomaden des Himmels klar benannt. Und wie bringt er sie an den Zuschauer?
Im Zentrum des Films steht eine kleine Nomadenfamilie aus drei Generationen, die noch traditionell in einem Tal in Kirgistan lebt. Der alte Hirte und seine Frau teilen sich das Zelt mit der Schwiegertochter Shaiyr und der Enkelin Umsunai. Wenn die kleine Familie morgens erwacht, weitet sich die Enge des Zelts, und ein atemberaubender Blick auf das Tal und die Berge tut sich auf. Das Paradies auf Erden. Doch schnell wird klar, dass hier nicht alles paradiesisch ist. Bittere Blicke fliegen zwischen Schwiegermutter und Shaiyr hin und her. So tritt sie schnell die Flucht in die Weite, zu den Pferden an.
Die Leerstelle in allen Blicken ist der abwesende Sohn, Ehemann und Vater, der tödlich verunglückt ist. Shaiyr wirkt unzufrieden und allein. Könnte eine neue Liebe ihr Leben zum Besseren wenden? Die Blicke der Schwiegermutter halten sie jedoch zurück, und sie scheint sich in ihr Schicksal zu ergeben. Das ist beklemmend mit anzusehen. Dagegen hilft auch die Weite der Landschaft nicht. Es ist also zuerst ein Familienkonflikt, den der Regisseur hier aufmacht. Zwischen den Familienmitgliedern ist kaum Zuneigung und Wärme zu spüren.
Neben diesen Konflikt wird sogleich die Tradition gegen die Moderne ausgespielt, Stadt gegen „Land“. Wie Abdykalykkov das macht, ist leider allzu plakativ und nicht wirklich überzeugend für seine Sache. Zwar fängt er mit der Kamera immer wieder die schönen Landschaften ein, will Idylle erzeugen, die es zu bewahren gilt. Doch diese Idylle wird nicht nur von anrückenden Baumaschinen zerfurcht, die im Tal ihr Unwesen treiben. Vielmehr vergiftet die Familiensituation die Atmosphäre. Wer will schon in einem Paradies leben, das zwar landschaftliche Weite besitzt, doch letztlich erdrückend ist? Aber vielleicht ist dies auch der Preis, den der Einzelne bzw. die Einzelne für den Erhalt der Traditionen bezahlen muss. Durch individuellen Verzicht kann das große Ganze gerettet werden. Wollte uns Abdykalykkov dies wirklich vermitteln?
Leider ist Nomaden des Himmels aber auch formal relativ unausgegoren. Die Figuren bleiben nicht nur einsilbig, sondern auch eindimensional. In seiner Bildsprache vertraut der Film zu sehr auf klischeehafte Gegenüberstellungen (zum Beispiel Idylle vs. Maschine). Dem Lost-Paradise-Topos kann er nichts Neues hinzufügen. Zugute halten kann man dem Regisseur allerdings, dass er sich nicht in einer überromantisierten Nomadendarstellung verliert. Seine Familie hat normale Probleme. Dies hätte der Film sicherlich zu seinem Vorteil ausbauen können, verpasst die Chance aber. So kann Abdykalykkov seine angedachte Botschaft nicht überzeugend übermitteln.
Nomaden des Himmels
Kirgistan 2015, 81 Minuten
Regie: Mirlan Abdykalykov; Darsteller: Taalaikan Abazova, Tabyldy Aktanov, Jibek Baktybekova u.a.
Kinostart: 14. April 2016
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