Karl Wolfgang Flenders stellt in seinem Debütroman „Greenwash, Inc.“ die skrupellose Welt der PR- und Werbebranche dar. Der junge Schriftsteller musste für sein Buch schon einige Kritik einstecken
Mars & Jung, so heißt die PR-Firma, bei der Ich-Erzähler Thomas Hessel arbeitet. Als PR-Berater poliert er das angekratzte Image von Industrieriesen wieder blank und vor allem grün. Die Spielregeln dafür sind klar gesetzt: Es gibt keine. Benutze alles und jeden, um den Konsumenten wieder vom Mars & Jung-Kunden zu überzeugen. Was dabei vor allem zählt, ist eine gute Story. Der erste große Erfolg von Hessel ist ein Youtube-Video von einem geplant missglückten Pressetermin. Eine arme Frau und ihr Baby wurden live vor der Presse von einer Feuerwalze überrollt. Nur ist die arme Frau in Wahrheit eine Schauspielerin, das Baby aus dem Waisenhaus geliehen und der Rodungsbrand fingiert. Doch genau diese Skrupellosigkeit, die von Hessel verlangt wird, bringt ihn am Ende auch zu Fall.
In dem Roman Greenwash, Inc. geht es vor allem um den Ich-Erzähler Thomas Hessel, der in den Buchkritiken oft als arroganter, smarter, junger Typ dargestellt wird. Doch vielmehr ist er eine Marionette seines Arbeitgebers. Seine einstigen Ideale hat er komplett an den Nagel gehängt und sich an die Firma angepasst. Er treibt Sport im ständigen Wettbewerb mit seinen Kollegen, schüttet Tranquilizer und Alkohol in sich hinein und schaltet seine Moral aus. Dabei gibt es nur Extreme: ob es die dicken Geldbündel sind, die sie den Armen hinwerfen, der Reinheitswahn oder die eigene Freundin, die eigentlich für die Kulturerhaltung der Menschen steht. Und dann natürlich auch Mars & Jung, die Firma, die selbst auf einer Lüge aufgebaut ist.
Vor den Kapiteln im Roman kann der Rezipient die Prinzipien der PR-Firma lesen, die innerhalb der Geschichte regelrecht wiederlegt werden. Solche Leitsätze heißen dann wie vor Kapitel drei: „Mars & Jung – We care for each other“. „We care for each other“ – die Firma ist nicht einfach nur Arbeitgeber, sondern Familie. Gemeinsam arbeiten, sich gegenseitig helfen und weiterbringen. Doch im Buch zeigt sich das Gegenteil, jeder kämpft für sich allein.
Das große Thema des Buches ist natürlich die PR-Branche und ihre Maschen, um die Konsumenten zu blenden und zu beeinflussen. Im Roman liegt der Fokus hauptsächlich auf der Skrupellosigkeit, mit der die PR-Berater arme Menschen ausnutzen und opfern. So können sie eine gute Story an die Konsumenten abliefern, die wiederum daran glauben dürfen. Teilweise mag diese Darstellung etwas übertrieben wirken, wie in manchen Kritiken geschrieben, doch könnte man sich auch gut vorstellen, dass sie der Wahrheit entsprechen. Das Buch ist eine Satire, wie es bereits Jan Wiele in der FAZ beschrieben hat. Überspitzt breitet sie die Welt der Werbebranche vor unseren Augen aus.
Konsequent arrogant, so wird die Erzählweise von Flender auf der NDR-Website von Pascal Fischer beschrieben und damit sehr gut. Dieser Stil mag womöglich die Figur unterstützen wollen, aber er passt auch nicht ganz zu ihr. Denn letztendlich ist Hessel eine arme Wurst mit guten Ideen, der in die Mühlen der Werbebranche geraten ist. Während man das Buch liest, hat man leider des Öfteren das Gefühl, dass da der Autor selbst zum Vorschein kommt und nicht die Figur. Als würde er sich über seine Figur erheben und sich über sie lustig machen. An manchen Stellen scheint Flender sich zu sicher zu sein, dass er gut schreibt und die Geschichte ankommt.
Der Roman ist in der Ich-Form geschrieben und Flender will eigentlich nicht das Tun und Handeln seines Protagonisten bewerten. Dass er dies nicht immer kann, wurde schon gesagt. Doch leider findet sich am Ende des Buches dazu auch noch eine sehr oberflächliche Moral, die herb enttäuscht. „Auch wenn eine Blase platzt, es bilden sich immer wieder neue“, eine Champagnerblase als die moderne Inszenierung des alten Sprichwortes: Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Platter gehts nicht.
Trotzdem ist das Buch empfehlenswert, denn das Thema und die Geschichte an sich sind sehr aktuell und gut. Es zeigt die Vielschichtigkeit von Werbung und PR auf und regt zum Nachdenken an. Zum Schluss noch ein kurzes Wort zur äußeren Gestaltung, die sich hervorragend in die Geschichte einfügt. Mit recyceltem Papier, der grünen Schrift und dem rot brennenden Blatt will das Buch grün, ökologisch und fair wirken und anklagen: Die Natur wird geschändet und die Umwelt nicht beschützt! Doch im Inneren besteht der Umschlag auch nur aus gebleichtem Papier und die Geschichte zeigt die wahre Bedeutung des brennenden Blattes und das Gegenteil von Umweltschutz, nämlich, wie der Umweltschmutz grün gewaschen wird.
Karl Wolfgang Flender: Greenwash, Inc.
Dumont Buchverlag
392 Seiten – 19,99 €
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